Brodelnde Wut

von Redaktion

Günther Groissböcks intensiver Liederabend in München

VON TOBIAS HELL

Günther Groissböck ist keineswegs der erste Wagner-Recke, der zwischen seinen Königen, Riesen und anderen Opern-Finsterlingen gerne mal der Liebe zum Kunstlied nachgeht. Schon ein Hans Hotter oder Kurt Moll schworen zur Stimmhygiene auf regelmäßige Ausflüge zu Schubert und Co. Und wie diese legendären Vorbilder erwies sich der österreichische Bass ebenfalls als fesselnder Geschichtenerzähler. Zwar neigte Groissböck (Foto: Dominik Stixenberger) dabei auch im kleinen Format hin und wieder zum großen Opernpathos, doch verstand er es, seine machtvoll ausladende Stimme in den richtigen Momenten auch gefühlvoll zurückzunehmen.

Für den Auftritt im leider nur spärlich besetzten Prinzregententheater hatte er dabei ein düsteres, zur Jahreszeit passendes Programm zusammengestellt, dessen einzelne Nummern rund um das Thema der individuellen Freiheit kreisten. Angefangen mit Schuberts Vertonungen von Goethes „Prometheus“, „Ganymed“ und den „Grenzen der Menschheit“. Stücke, bei denen unter der Oberfläche viel an aufgestauter Wut brodelte, ehe die folgenden fünf Lieder nach Texten von Johann Mayrhofer neue Farben in den großen narrativen Bogen hineinbrachten.

Dieser Stimmungswechsel war auch Julius Drake zu verdanken, einem der wohl besten Liedbegleiter unserer Tage, der seine tiefe Verbindung zu Schuberts Werken spüren ließ und Groissböck dabei nicht nur mit kräftigem Anschlag Paroli bot. Gemeinsam mit seinem Partner gelang es Drake, auch in oft gehörten Klassikern wie Loewes „Die Uhr“ oder „Odins Meeresritt“ Schicht um Schicht zum Kern der Kompositionen vorzudringen und so selten gehörte Nuancen freizulegen.

Eher eine Domäne der höheren Stimmlagen sind Strauss-Lieder wie die „Zueignung“ oder „Allerseelen“, die durch den sonoren Bass-Klang ebenfalls einluden, scheinbar Vertrautes neu wahrzunehmen. Ähnlich wie Mahlers mit langem Atem gestaltetes „Urlicht“, das nach den menschlichen Abgründen der „Wunderhorn“-Lieder mit Schuberts „An die Musik“ einen versöhnlichen Schlusspunkt unter diesen intensiven Abend setzte.

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