Rein in die Realität

von Redaktion

Berlinale zeigt Sean Penns Dokumentarfilm zur Ukraine – 18 Filme sind im Wettbewerb

VON BETTINA FRASCHKE

Mit voller Kapazität nach der Corona-Zeit, mit Filmen mit klarem Realitätsbezug und mit einem starken deutschen Schwerpunkt geht am 16. Februar die Berlinale an den Start. Gestern wurde das Programm vorgestellt. Allein im Wettbewerb sind von 18 Positionen fünf deutsche. Margarethe von Trotta lässt in ihrer Hommage an Ingeborg Bachmann Schauspielerin Vicky Krieps in die Rolle der österreichischen Autorin schlüpfen, Ronald Zehrfeld spielt ihren Gegenpart Max Frisch in „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“.

Zu dieser Regisseurin von Filmporträts über bemerkenswerte Frauen gesellt sich Emily Atef, die in Berlin zuletzt „Drei Tage in Quiberon“ über Romy Schneider vorgestellt hat. Mit der Buchadaption „Irgendwann werden wir uns alles erzählen“ nach Daniela Krien begibt sie sich in die Seelenwelt einer Heranwachsenden, die sich im ländlichen Thüringen 1990 in einen deutlich älteren Landwirt verliebt. „Nichts ist stärker als die Liebe eines Teenagers“, sagte Festivalleiter Carlo Chatrian bei der Programmvorstellung.

Die Regisseure der drei weiteren deutschen Filme lassen sich alle der Berliner Schule zuordnen, jener auf dem Festival seit Jahren gepflegten Stilrichtung, die unbedingten Willen zur Form verbindet mit einer offenen Charakterzeichnung, die den Figuren Geheimnisse lässt. Christian Petzold widmet sich nach der Wasserfrau „Undine“ (2020) nun dem Feuer in „Roter Himmel“. Durch Waldbrände sind die vier Protagonisten (unter anderem gespielt von Paula Beer) in ihrem Ferienhaus an der Ostsee eingeschlossen. Angela Schanelec, eine der Pionierinnen der Berliner Schule, zeigt mit „Music“ ein Roadmovie, das von Griechenland nach Berlin führt. Angelehnt an den Mythos des Ödipus erzählt „Music“ von einem Findelkind, das in einer Sturmnacht in den griechischen Bergen gefunden wird und als Erwachsener Schritt für Schritt erblindet, mit dem Verlust der Sehkraft aber etwas Neues gewinnt.

In „Bis ans Ende der Nacht“ von Christoph Hochhäusler versucht ein verdeckter Ermittler, das Vertrauen eines Dealers zu gewinnen. Er schleust sich als Partner einer Transfrau ins Milieu ein und muss sich bald darüber klar werden, was echte Gefühle und was berufliche Strategien sind.

In diesen und den weiteren Filmen im Wettbewerb sollen sich je einzigartige Stimmen des weltweiten Filmschaffens artikulieren. Chatrian hat festgestellt, dass besonders das Genre des Melodram stark vertreten ist, das Traurigkeit und Schönheit zusammenbringt. Drei Filme sind Debüts, mehr als die Hälfte der eingeladenen Filmemacher waren noch nie im Wettbewerb vertreten. Doch auch die Etablierten benötigen die Plattform des Festivals, um wahrgenommen zu werden, berichtet der künstlerische Leiter der Berlinale. Unabhängig produzierte Filme stünden derzeit kurz vor dem Verschwinden, selbst ein Festivalliebling wie Petzold habe Schwierigkeiten, seinen Arbeiten die nötige Sichtbarkeit zu verschaffen.

Um über das Festival das Kino insgesamt zu stärken, unterstützt Kulturstaatsministerin Claudia Roth die Berlinale zusätzlich zu den 10,7 Millionen Regelförderung mit zwei Millionen Euro.

Zu den weiteren Höhepunkten im Programm gehört ein Dokumentarfilm von Sean Penn über das vom Krieg überschattete Projekt, ein Werk über den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu drehen. „Er öffnet eine Tür, durch die wir Einblicke erhalten können, was in der Ukraine passiert“, sagt Chatrian. Berlinale-Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek kündigt weitere Beiträge zu Russlands Krieg gegen die Ukraine an, dessen Beginn sich während des Festivals jährt. Auch die Situation im Iran wird präsent sein, etwa im Dokumentarfilm „My worst Enemy“.

Zu den prominenten Gästen während der Festspiele wird US-Regisseur Steven Spielberg gehören, dem eine Werkschau gewidmet ist. Im Programm steht auch „Die Fabelmans“, seine warmherzige, persönlich gefärbte Familiengeschichte über den Weg eines Amateurfilmers zum Kino – eine Deutschlandpremiere.

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