Sorgfalt statt Effekt

von Redaktion

Víkingur Ólafsson und Antonio Pappano in der Münchner Isarphilharmonie

VON MARCO SCHMIDT

Noch vor zwei Monaten konnte man Martha Argerich im Duo mit Mischa Maisky quicklebendig im Herkulessaal erleben. Doch seit gut einer Woche leidet die 81-jährige Tastenlöwin an massiven Herzproblemen, weshalb sie bis auf Weiteres alle Auftritte absagen musste. Beim Konzert des Orchesters der Accademia Nazionale di Santa Cecilia in der Isarphilharmonie sprang Víkingur Ólafsson für sie ein – als Solist in Ravels G-Dur-Klavierkonzert.

Dabei überzeugte der 38-jährige Isländer mit einer seltenen Kombination aus kristallklarer Brillanz und dennoch zartem Anschlag. Unermüdliche Mobilien-Mäkler mögen monieren, dass ein bisschen mehr argentinisches Temperament à la Argerich seinem Spiel ebenso gutgetan hätte wie ein bisschen weniger Pedal; Letzteres ließe sich insbesondere auch über die beiden an sich zauberhaften Zugabe-Zuckerl von Rameau und Galuppi sagen. Aber das wäre Jammern auf höchstem Niveau.

Freilich kann man Ravels jazzig angehauchte Klänge durchaus feuriger, frecher und fetziger interpretieren, doch Ólafsson ist eben ein ganz anderer Typ als die Argerich: Er findet etwa im kantablen Adagio-Mittelsatz zu einer tief berührenden Innigkeit; außerdem können sich die Ohren der Zuhörer darüber freuen, dass Ravels Reißer hier einmal bewusst unprätentiös dargeboten wird – makellos sauber, sorgfältig reflektiert und poliert, ohne halsbrecherische Tempi, ohne jeden Anflug von Effekthascherei. Damit erweist sich Ólafsson als idealer Partner für das römische Orchester und dessen Chefdirigenten Sir Antonio Pappano, wobei zu Beginn des Abends verblüffte, wie behäbig Prokofjews „Symphonie classique“ daherkam. Selbst Sergiu Celibidache, legendärer Chefdirigent der Münchner Philharmoniker, hatte dieses Werk einst rascher und peppiger serviert – und das will etwas heißen.

Vielleicht war das Ensemble da in Gedanken schon bei Sibelius: Dessen fünfte Symphonie erklingt nach der Pause in einer rundum beglückenden, präzise gestalteten und atemberaubend spannenden Interpretation – ein glanzvoller Beweis dafür, was für eine tolle Truppe Pappano in den vergangenen Jahren in Rom geformt hat. Ovationen.

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