Es war lange Zeit Marianne Faithfulls Schicksal, als Muse zu gelten, nicht als eigenständige Künstlerin. Als Anhängsel der Rolling Stones, Gespielin von Mick Jagger. „Wenn Marianne als Mann geboren worden wäre, würde sie es euch allen zeigen“ singt sie in „Sliding through Life on Charm“, einem der Höhepunkte des Albums „Kissin Time“ von 2002, das jetzt wiederveröffentlicht wurde. Geschrieben hat den Song Jarvis Cocker von der Band Pulp. Er ist nur einer von vielen illustren Männern, die Faithfull hier dienen. Da wären noch Beck, Blur, Billy Corgan und andere. Und die Lady zeigt diesmal, wer der Boss ist. Ihre vom Leben gestreifte Stimme verleiht dem durchweg guten Material Coolness (im Elektro-Funk „Sex with Strangers“) und Verletzlichkeit (im Barock-Folk „Like being born“). Der Sound ist voll zeitgenössischer Klangeffekte, was ihn heute leicht veraltet wirken lässt – etwa im Cover „Something good“ von Herman’s Hermits. Es spricht für die LP, dass das kaum ins Gewicht fällt. lö