Wer in die Fußstapfen eines anderen tritt, hinterlässt bekanntlich keine eigenen Abdrücke. Insofern ist es klug, wenn man erst mal markante Wegmarken auf dem Weg zu eigener Größe setzt, ehe man sich an eine Hommage an einen der Größten wagt. So wie Johannes Enders. „Sweet Freedom – A Tribute to Sonny Rollins“ ist der Titel seines heute erscheinenden Albums, dessen Material der Weilheimer Tenorsaxofonist in der Münchner Unterfahrt vorstellte.
Der Titel spielt natürlich auf Rollins’ „Freedom Suite“ aus dem Jahr 1958 an, als ein pianoloses Trio nur mit Sax, Bass und Schlagzeug noch ein revolutionäres Statement war. Das ist längst nichts Besonderes mehr, aber um der Gefahr einer klanglichen Monokultur entgegenzuwirken, ist es immer noch von Vorteil, wenn man keine braven Sekundanten, sondern aktive Mitgestalter auf Ohrenhöhe hat wie Enders in Bassist Henning Sieverts und Schlagzeuger Jorge Rossy.
Im Titelstück etwa spielt jeder zeitweise sein eigenes Tempo, aber alles fügt sich wunderbar stimmig. Enders’ Umgang mit Rollins ist nicht unterwürfige Verehrung, sondern neckisch-spielerische Neuschöpfung. Er nimmt Bruchstücke und baut aus der Inspiration Eigenes. Aus „Airegin“ etwa wird bei Enders „Air & Gin“, was bloßes Kalauern wäre, würde es nicht mit gehörigem Spielwitz unterfüttert, in diesem Fall mit herrlichen Tempowechseln vom lässig schlurfenden Groove zum Vollgas-Swing und wieder zurück.
Und wenn Enders doch mal einen Rollins-Klassiker wie „East Broadway run down“ im Original interpretiert, wird auch der eigenständig phrasiert, zumal Enders’ Tenorsound zwar auch kraftvolle Autorität ausstrahlt, aber weicher ist als das virile Knurren des inzwischen 92-jährigen „Saxophone Colossus“. Die Geschichte kennen und schätzen, sie aber selbstbewusst und eigenwillig zu überschreiben: Das ist – von Enders lustvoll ausgekostet – die süße Freiheit des Jazz.