Die Uraufführung von Strawinskys „Le sacre du printemps“ zählt zu den legendären Skandalen der Musikgeschichte. Mit Pfiffen, Zwischenrufen und sogar Handgreiflichkeiten im Publikum. Reaktionen, die mehr als 100 Jahre später in der Isarphilharmonie nicht mehr zu befürchten waren, wo die mittlerweile zum Standardrepertoire gewordene Partitur von den Münchner Philharmonikern wieder einmal hervorgeholt wurde.
Ein wenig mehr von der einstigen Sprengkraft hätte man sich allerdings gewünscht. Unter der Leitung von Santtu-Matias Rouvali kam dieses Frühlingsopfer erschreckend zahm und unkoordiniert daher. So dauerte es fast den gesamten ersten Teil, bis der Dirigent und das zwischendurch auf Autopilot wechselnde Orchester zueinandergefunden hatten. Vieles waberte da einfach nur unkontrolliert laut vor sich hin, ohne durch die steigende Dezibel-Zahl an Spannung zu gewinnen.
Ähnlich der Eindruck nach der Uraufführung des Auftragswerks von Markus Lehmann-Horn, das den Abend eröffnet hatte. Seine „Empörung“ für großes Orchester war eine späte Abrechnung mit dem Kultur-Lockdown, die vor allem der Schlagwerk-Gruppe der Philharmoniker dankbare Aufgaben übertrug. Nicht nur durch das offene Ende blieb die Komposition jedoch Antworten jenseits des berechtigten Zorns schuldig. Ein Abend weit unter der zuletzt gewohnten Form. Wäre da nicht Alice Sara Ott gewesen, die bei Ravels Klavierkonzert für die linke Hand eine Interpretation lieferte, die bereits in den ersten Takten mehr archaische Kraft ausstrahlte als die rahmenden, großformatigen Orchesterwerke. Wobei Ott hier auf eng komprimiertem Raum und barfüßig am Flügel eine unglaubliche Bandbreite an Emotionen durchwanderte. Mal mit zart hingetupften pastellfarbenen Tönen, aber ebenso mit einem leicht schwarzhumorigen Gestus, wenn es an die jazzigen Passagen ging. Später kontrastiert durch eine dramaturgisch klug gewählte Zugabe von Erik Satie, mit der sie das andächtig lauschende Publikum nochmals bannte.