Ausbruch und Aufbruch

von Redaktion

Dana Spiottas „Unberechenbar“ ist die erste Veröffentlichung des Münchner Kjona Verlags

VON MALVE GRADINGER

Die Menopause! Für frau kein erfreuliches Stadium: plötzliche Hitzewallungen, Erschlaffen der Haut, seltener oder sogar null Lust auf Sex, um nur mal diese Negativ-Erscheinungen zu erwähnen. Ein ganz schön gewagtes Thema für einen Roman. Die US-Amerikanerin Dana Spiotta, Jahrgang 1966, und der neue Münchner Kjona Verlag gehen mit „Unberechenbar“ nun das Risiko ein.

Die Antiheldin Sam, kurz für Samantha, lebt, wie die Autorin selbst, in Syracuse im US-Bundesstaat New York. Sie verlässt Mann und Tochter im Vorstadtdomizil, um jetzt, mit 53, noch einmal neu ins Leben einzutauchen (das Buch-Cover ziert eine Badenixe im fliegenden Indianerköpper!). Ein Bungalow in einem ehemals bürgerlich stattlichen, jetzt heruntergekommenen Viertel hat es ihr angetan. Sie renoviert, putzt und poliert. Das verschafft ihr – Hausfrau bleibt eben doch Hausfrau – eine gewisse Befriedigung im späten Selbstverwirklichungstrip. Der Ehemann, offensichtlich ein total netter, obendrein verständnisvoller Typ, kommt ab und zu vorbei, still erbettelter Beischlaf inklusive. Die 16-jährige Tochter, mit wenig Verständnis für Sams Flucht, verweigert sich den Kontaktversuchen der Mutter. Sie schläft heimlich mit einem ziemlich älteren, erfolgreichen Businessman – was die besorgte Sam ausspioniert. Bis dahin also: alles Fakten für eine durchaus mögliche satte US-Family-Story. Samanthas Absprung aus der Ehe ist hier jedoch eher so etwas wie der Angelhaken für Spiottas weitgreifende Erörterung rund um die Fragen der weiblichen Selbstverwirklichung: von der Gedenkstätte für eine Frauenrechtlerin im 19. Jahrhundert bis hin zu den anno 2017 trendigen feministischen Chat-Clubs und Aktionsgruppen mit bühnensüchtigen rituellen Seelenentblößungen. Gleichzeitig rückt Dana Spiotta immer wieder die Stadt Syracuse mit ihrer Architektur in den Blick.

Man fühlt sich also hin- und hergeschüttelt zwischen der Selbstanalyse einer Ehe-Aussteigerin, einem feministischen Sachbuch und der US-History. Aber ein Roman? Vielleicht löst sich diese literarische Form nun in postmoderner Manier auf? Die neue Zersplitterung! Eigentlich nichts dagegen. Nur schlafft das streckenweise durchaus wachgehaltene Lese-Interesse bei diesen 351 Seiten immer mal wieder ab. „Unberechenbar“ ist die erste Publikation des frisch gegründeten Münchner Kjona Verlags. Vielleicht ist der Buchtitel ja zugleich bewusster Leitsatz der Hauspolitik.

Dana Spiotta:

„Unberechenbar“.

Aus dem amerikanischen Englisch von Andrea O’Brien. Kjona Verlag, München, 351 S.; 25 Euro.

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