Zwiegespräch mit dem Ich

von Redaktion

Pianist Ivan Bessonov im Münchner Prinzregententheater

Während der Wintereinbruch die zarten Triebe des Frühlings unter einer Decke aus Weiß begräbt, erblüht rechts auf der Bühne des Prinzregententheaters ein farbenreiches Bouquet. Die arrangierten Blumen bilden die Kulisse für Ivan Bessonov am Flügel auf der Bühnenmitte. In seiner Zartheit und ungeheuerlichen Könnerschaft erinnert der junge Russe an eine Mischung aus Dorian Gray und Frédéric Chopin, dem das Rezital an diesem Sonntagmorgen gewidmet ist.

Die vier Balladen des ersten Konzertteils intoniert Bessonov ausdrucksstark, aber introvertiert. Das Spiel und die Interaktion mit dem Publikum sind nicht seine Sache, stattdessen ist der Pianist in ständiger Zwiesprache mit sich selbst; lautlos bewegen sich seine Lippen zum Notentext. Im Ergebnis betont seine Interpretation den träumerischen Charakter dieser hochromantischen Musik, deren schwelgerische Anmutung immer wieder von leidenschaftlichen Ausbrüchen und hochvirtuosen Passagen aufgewühlt wird.

Nach der Pause wird es mit drei Mazurken und zwei Walzern tänzerisch – wobei Bessonov bei seiner kunstvollen Verwebung der facettenreichen Miniaturen vom Publikum immer wieder aus dem Tritt gebracht wird. Wo geklatscht werden darf, das kann bekanntlich zur heiklen Angelegenheit werden. Den Applaus zwischen den Sätzen schiebt dieser introvertierte Pianist wie unwillig beiseite, um nicht in seinem introspektiven Zwiegespräch gestört zu werden.

Frenetisch fällt der zulässige Schlussapplaus nach der abschließenden Klaviersonate in h-Moll op. 58 aus, Standing Ovations gibt es nach einer weiteren Chopin-Zugabe. Schade, dass Bessonov keinen Kontrastpunkt gesetzt hat, etwa in Form einer Miniatur aus seinem eigenen kompositorischen Schaffen. ANNA SCHÜRMER

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