Eine Mittfünfzigerin wählt sich einen fast 30 Jahre jüngeren Mann zum Liebhaber. Das ist in den Neunzigern für viele verstörend, während die umgekehrte Konstellation schon immer gesellschaftlich akzeptiert zu sein schien. Die ältere Frau ist die Schriftstellerin Annie Ernaux, der junge Mann ein Student namens A. Sein Name tut hier nichts zur Sache, er ist austauschbar. Die französische Nobelpreisträgerin hat diese rauschhafte Beziehung, deren Ende von Beginn an einkalkuliert ist, viele Jahre später in einem Essay festgehalten. Jetzt ist er auf Deutsch erschienen, im typischen Ernaux-Stil: knapp, nüchtern, präzise, analytisch. Genuss und Sex spielen eine Rolle, Romantik eher weniger. Ernaux erkennt im Leben des Mannes ihre proletarische Vergangenheit wieder – während sie längst die Arrivierte ist. sp