Wenn Sir John Eliot Gardiner, der nächsten Monat seinen 80. Geburtstag feiert, am Pult steht, dann klingt das Alte wie neu, ist die Klassik nichts zum Kuscheln. Hellwach macht er sein Publikum, das ihm und dem höchst animierten BR-Symphonieorchester gespannt und freudig folgt. Im Herkulessaal führt die Reise von Haydn über Weber zu Schubert. Gardiner, tief verwurzelt in der historisch informierten Aufführungspraxis, akzentuiert schon den trauerumflorten Kopfsatz von Haydns Symphonie f-Moll wunderbar organisch und entfaltet ihn mit der kleinen, homogenen BR-Truppe geradezu elegant. Nach dem mit aufrührerischem Ausdruck gestalteten Allegro kommt das Menuett gravitätisch daher, bis im Trio Oboe, Fagott und Horn Akzente setzen. Auch im Finale wird Haydns enorme Ausdruckskraft freigesetzt.
Mit der Sopranistin Lucy Crowe und einem deutlich verstärkten Orchester werden Szenen aus Webers „Oberon“ und „Freischütz“ höchst bildhaft und lebendig. Obwohl aus lyrischen Gefilden kommend, gestaltet Crowe Rezias „Ozean“-Arie (im englischen Original) differenziert, die Trauer-Cavatine introvertiert und innig. Als „Freischütz“-Agathe, umgeben von den nun stehenden Musikerinnen und Musikern, punktet sie erneut mit lichtem, fein phrasiertem Klang und bestem Deutsch. Ob die Spannung beim Orchester im Stehen wirklich noch wächst oder ob es sich um eine optisch-akustische Täuschung handelt – wer weiß das schon…
Jedenfalls gerät die erste Symphonie des 16-jährigen Schubert zum mitreißenden Erlebnis. Neben all der von Gardiner geformten Plastizität und Beweglichkeit nutzt er auch hier die dynamischen Kontraste, setzt auf Furor, ohne kantable Momente zu vernachlässigen. Auch das deftig betonte Menuett verliert nicht die Eleganz und offenbart im Trio geschmeidige Delikatesse. Gardiner und die vibrierenden BR-Symphoniker verbinden im Finale Rasanz mit Duftigkeit. Schubert als Zeitgenosse.