Pakt mit teuflischen Freunden

von Redaktion

PREMIERE „Revolution“ am Münchner Volkstheater bleibt etwas unverbindlich

VON ALEXANDER ALTMANN

Die scheinbar Mächtigen sind auch bloß Marionetten, die an den Fäden der wirklichen, unsichtbaren Strippenzieher hängen. Egal ob Politiker, Richter, Wissenschaftler an Akademien oder Meinungsmacher im Fernsehen: Sie alle werden wie Sprechpuppen nach Belieben gelenkt von einer obskuren Geheimorganisation, die sich verharmlosend „Freundeskreis“ nennt, aber, geführt von einer damenhaften Greisin (Elke Petri), durch ein tückisches System von Bestrafung einerseits und Belohnung andererseits ihre Mitglieder fesselt.

Wem das irgendwie bekannt vorkommt: Ja, es ist eine astreine Verschwörungstheorie, die Viktor Martinowitsch (Jahrgang 1977) in seinem Roman „Revolution“ ausmalt, der jetzt in dramatisierter Form auf der Bühne 2 des Münchner Volkstheaters zu erleben ist. Als Protagonist der Geschichte fungiert ein unscheinbarer Jedermann namens Michail (Steffen Link), der an der Moskauer Universität als Hilfsdozent für „Architektursemiotik“ arbeitet. Nachdem er aus heiterem Himmel erpresst wurde, Mitglied des „Freundeskreises“ zu werden, macht er plötzlich eine steile Karriere zum Dekan und Prorektor an der Uni. Der Preis dafür ist allerdings hoch: Michail muss nicht nur Morde vertuschen und begehen, sondern auch durch Falschaussagen vor Gericht einen Unschuldigen schwer belasten.

Im Grunde ist es also eine Teufelspakt-Geschichte, die der weißrussische Autor hier als Kolportage aus Mafia-Thriller und Kafka-Elementen auftischt. Aber er zeigt auch, wie der Held, der erst nur unter Zwang in der Geheimgesellschaft mitmacht, Lust daran entwickelt, über andere bestimmen zu können. Und zwar umso mehr, je höher er in der Hierarchie steigt. Aber genau das wäre die wirklich revolutionäre Botschaft dieses Textes, den man als Parabel über Herrschaftssysteme generell lesen kann: dass Macht ein Automatismus ist, der per se immer schon eine „Verschwörung“ darstellt und jeden Machthaber zwangsläufig ins Monströse transformiert.

Nicht umsonst treten die Mitglieder des „Freundeskreises“ oft mit silbernen Tiermasken auf, die funkeln wie Disco-Kugeln und so mit luxuriösem Glamour die Bestialität und Unmenschlichkeit verschleiern, die hinter dem schönen Schein der Herrschenden steckt. Auch die Bühne (Belle Santos) ist dementsprechend ein seltsam steriler, unverbindlicher Nicht-Ort, irgendwo zwischen Filmstudio und Raumschiff-Brücke. Rechts und links von ein paar blauen Sitzwürfeln stehen zwei riesige Bildschirme, die in eine Art Panzersperren eingebaut scheinen, und die Rückwand bildet ein gigantischer gebogener Flatscreen. Dass das Bühnengeschehen meist per Live-Video auf diese Bildschirme übertragen und damit alles vervielfacht wird, trägt wesentlich zur Intensität des Schreckens bei, den Regisseur Philipp Arnold auch durch gekonnte Rhythmisierung und sorgfältige Schauspielerführung verstärkt.

Man weiß nie genau: Ist man hier in der Zentrale eines umfassenden Überwachungsapparats, der alles sieht, hört und weiß? Oder ist es doch bloß ein Action-Blockbuster aus Hollywood, was da vierfach vor unseren Augen abläuft? Oder befinden wir uns gar in einer dystopischen Zukunft, wo beides gar nicht mehr voneinander zu trennen ist? Haben wir es mit „Augmented Reality“ zu tun oder gar schon mit der „Matrix“ aus dem gleichnamigen Film, die eine Wirklichkeit bloß im Gehirn ihrer bewusstlosen „Bewohner“ simuliert?

Leider bleiben solche effektvollen Science-Fiction-Spielchen am Ende aber doch zu vage und ihrerseits zu unverbindlich, um die politische Sprengkraft zu zeigen, die in „Revolution“ zu entdecken wäre. Langer, begeisterter Beifall.

Weitere Vorstellungen

am 26., 29. März, 19., 21. April sowie 30., 31. Mai;

Telefon 089/523 46 55.

Theaterfassung des Romans von Viktor Martinowitsch

Die politische Sprengkraft wird nicht ganz deutlich

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