Die Niederlande, berühmt für ihre Windmühlen, Tulpen und Kanäle, für ihre großen Maler und ihre Handelsvergangenheit sind – wer hat schon mal darüber nachgedacht? – auch ein bedeutendes Tanzland. Neben dem Niederländischen Nationalballett in Amsterdam für alle Stile steht das Den Haager Nederlands Dans Theater, kurz NDT, ausschließlich für die Moderne. Die dort ab 1960 wirkenden maßgeblichen Choreografen und Leiter Hans van Manen, Glen Tetley sowie Jirí Kylián haben weltweiten Ruf, bereicher(te)n auch hierzulande das Repertoire vieler Ballettensembles. Von 2011 bis 2020 übernahm der Brite Paul Lightfoot die künstlerische Leitung im NDT, mit der Spanierin Sol León als Co-Choreografin und Beraterin. Zum Festwochenauftakt am 31. März präsentiert das Bayerische Staatsballett im Münchner Nationaltheater zwei Stücke des Duos unter dem Titel „Schmetterling“.
Wissenswert vorab: Lightfoot und León, langjährige aktive Mitglieder des NDT, sind geprägt von der NDT-Politik. Es gibt keine Solisten/Corps de ballet-Hierarchie, was sicher die Tänzerpersönlichkeit fördert. Neben den ständigen NDT-Gästen wie den renommierten Tanzschaffenden Crystal Pite, Marco Goecke und Hofesh Shechter will man neue Talente entdecken. Auch von dieser mitgebrachten künstlerisch offenen Haltung der beiden könnte das Münchner Ensemble profitieren.
Das titelgebende Stück „Schmetterling“ von 2010 ist inspiriert von der wahren Geschichte des damaligen NDT-Mitglieds Medhi Walerski, der seine todkranke Mutter in ihrem letzten Lebensabschnitt begleitete. Vergänglichkeit ist also das Thema. Aber auch die (Schmetterlings-)Metamorphose von der starren Puppe zu neuer Lebenskraft, die in Soli, Pas de deux und großen Ensembles ausgetanzt wird. Vom Band zugespielt: die Indie-Pop-Band Magnetic Fields mit ihren „69 Love Songs“ und Musik des britischen Komponisten Max Richter. Zur gemeinsamen Arbeitsweise sagt León: „Wir treiben da so in den kreativen Prozess hinein. Es ist immer ein Austausch, ein Teilen von Gedanken, ein Werten, immer wieder auch ein Verändern.“ Dieser intensive Dialog brauche natürlich mehr Zeit, als wenn man solo arbeite. Andererseits hat das gemeinsame Schaffen doch sicher auch Vorteile? Vor allem, wenn da weiblich auf männlich trifft und spanische Mentalität auf britische? „Keine Frage“, gesteht León. „Oft lässt Paul mich dann in puncto Dramaturgie entscheiden. Ich bin da auch eher so ein Kontrollfreak.“
Lightfoot, Absolvent der Londoner Royal Ballet School und bereits mit 19 im NDT II engagiert, sieht in Hans van Manen, Jirí Kylián, Ohad Naharin, Mats Ek und William Forsythe die für ihn maßgeblichen Choreografen. „Sol León und ich haben dann aber bald unseren eigenen Stil entwickelt. Wir sind auf jeden Fall keine Geschichtenerzähler“, sagt er sehr bestimmt. „Silent Screen“ von 2005 zu Musik von Philip Glass verweist etwa auf den Stummfilm, dem der Tanz ja verwandt ist. Bei Nachfrage verrät Lightfoot: „Ich war schon als kleiner Junge ein großer Film-Fan. Später habe ich auch den Stummfilm entdeckt. Diese Über-Aktion in einem sprachlosen Medium, diese ausgeprägte Körpersprache, das ist ja schon Choreografie.“ Er erwähnt unter anderen Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau und seinen Film „Sonnenaufgang“ von 1927. Die Besinnung auf solche Werke habe geholfen, die Form für „Silent Screen“ zu finden. „Wir haben in dieser Choreografie auch filmische Mittel eingesetzt. Tanz und Film treffen aufeinander, verschmelzen in einer Art Metamorphose.“ Das klingt vielversprechend. Also auf zu den „Schmetterlingen“ und der anschließenden Festwoche bis 8. April. Dabei auch Neubesetzungen in „Romeo und Julia“ und weiteren Handlungsballetten.
Premiere
ist am 31. März, 19.30 Uhr,
weitere Informationen und Karten online unter www.staatsballett.de.