Zwischen Gerücht und Glaube

von Redaktion

Das Sendlinger Hoftheater zeigt „Zweifel“ mit Diana Körner

VON KATRIN BASARAN

Wenn ein Bühnenstück noch nach dem Schlussapplaus wirkt, sein Publikum zum Nachfühlen und Denken in den Abend entlässt, hat das betreffende Haus vieles richtig gemacht. „Zweifel“, das am Dienstag im Sendlinger Hoftheater Premiere feierte, lieferte genau das. Das Werk des Oscar-prämierten US-Dramatikers John Patrick Shanley („Mondsüchtig“) feierte zwar bereits 2004 Uraufführung und wurde 2008 mit Meryl Streep unter dem Titel „Doubt“ sogar verfilmt. Die Themen, die hier verhandelt werden – von Rassismus, über Kirche bis hin zu Kindesmissbrauch – sind jedoch von einer bis heute erschreckenden Brisanz und Relevanz.

Das Stück wirft die Zuschauer der klug genutzten kleinen Bühne im Stemmerhof zurück in eine Klosterschule des Jahres 1957. Dort regiert die gestrenge Schwester Aloysius, gespielt von einer großartigen Diana Körner. „Wehret den Anfängen“ ist einer ihrer pädagogischen Leitsätze. Die modernen Methoden des Paters Flynn sind ihr suspekt. Es ist Wasser auf ihre Mühlen, als die junge und idealistische Schwester James (eine Entdeckung, die echte Tränen weinen kann: Bianca Farthofer) begeistert davon erzählt, wie liebevoll sich Vater Flynn (sehr präsent: Dieter Gring) um den neuen Schüler Donald Muller bemüht. Der Bub ist der erste Schwarze an der Institution, die bisher nur Kinder der italienischen oder irischen Gemeinde aufgenommen hat.

Jetzt wittert Schwester Aloysius den Missbrauch des hilflosen Außenseiters. Sicher kann man der betagten Ordensfrau unterstellen, dass sie den Jungen schützen will. Beweise fehlen jedoch. In ihrem Kosmos kann es nicht sein, dass Vater Flynn es wirklich nur gut mit dem zusätzlich noch schwulen Buben meint. Der wegen seiner Hautfarbe in der Schule gemieden und für seine Veranlagung daheim geschlagen wird? Zweifel an dem durchaus wehrhaften Gottesmann gesät, Verdachtsmomente konstruiert und interpretiert, Gerüchte gestreut – wie Federn aus einem aufgerissenen Kissen, so das Gleichnis, dass er im Stück wählt, fallen sie zu Boden und lassen sich nicht mehr vollständig einsammeln.

Der Showdown, den sich die Figuren (und Schauspieler) liefern, ist entlarvend für den Umgang unserer Gesellschaft mit heiklen Themen und Denkstrukturen. Da kann es schon tief erschrecken, wie sehr uns Emotionen und erlerntes Verhalten manipulieren (Das kennt man doch?), man ihnen fast schon reflexartig folgt. Wie gesagt: Das alles hallt nach, Zweifel bleiben. Auch, weil das Ensemble gnadenlos überzeugend spielt. Lust auf Denken und Fühlen? Hingehen!

Nächste Vorstellungen

am 30., 31. März sowie 1., 2. April;

Telefon 089/18 90 47 54.

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