Wie alle Künstler reagieren natürlich auch Komponisten auf die Welt, die sie umgibt. Egal, ob es sich um historische oder private Ereignisse handelt. Ein Umstand, der uns künftig wohl noch das eine oder andere Post-Covid-Stück bescheren dürfte. Nachdem jüngst Markus Lehmann-Horn bei den Philharmonikern seinem Frust über den Lockdown musikalisch Luft machte, war nun beim BR-Symphonieorchester Julian Andersons Aufarbeitung der Pandemiezeit zu hören. Wobei die Tatsache, dass er in seinem für großes Orchester und Chor konzipierten Stück „Exiles“ das „interne Exil des Covid-Lockdowns“ in direkte Linie mit der babylonischen Gefangenschaft des jüdischen Volkes sowie mit Flüchtlingen der NS-Zeit oder der Ceauşescu-Diktatur stellt, durchaus hinterfragt werden darf. Zumal die Partitur nach dem Corona-Prolog erst im zweiten, auf hebräischen Psalmen und Texten von Horaţiu Rădulescu basierenden Satz wirklich zu sich zu finden scheint – obwohl der Wechsel zwischen den insgesamt vier Sprachen angesichts der diesmal leicht verwaschenen Diktion des BR-Chors oft nur schwer auszumachen war.
Eindruck hinterließ vor allem der a cappella vorgetragene dritte Satz, der seine Kraft aus der Interaktion mit Solistin Julia Bullock zog. Ihr dunkel grundierter Sopran stemmte sich kraftvoll gegen die dröhnenden Massen, trug aber ebenso im Piano. Das wahre Ereignis des Abends markierte dennoch die Fünfte von Schostakowitsch, dessen Musik seit der Ära Jansons in der DNA des Orchesters eingebrannt scheint. Ein Erbe, das Dirigent Manfred Honeck mehr als würdig weiterführte. Mit einer Interpretation, in der das scharfkantige Scherzo bereits die folgende Trauerstimmung des Largos vorauszuahnen schien, bei dem die exzellenten Streicher einen zarten Teppich für die klagenden Einwürfe der Holzbläser ausrollten.