Auf der Titelseite einer Münchner Zeitung lautete am Donnerstag die Zeile: „Stückl: Als Bub im Internat missbraucht“. Volkstheater-Intendant Christian Stückl, der gerade dazu ein passendes Stück (siehe Kritik oben) inszeniert hat, weist das mit aller Entschiedenheit zurück. Er habe als 15-Jähriger zwar einen sexuellen Übergriff im Büchlerheim in Weilheim erlebt. Aber das könne man keinesfalls mit den Taten vergleichen, die Missbrauchsopfer erlitten haben. Wir sprachen mit ihm darüber.
Sie empören sich über den falschen Eindruck, der entstanden ist. Warum?
Es gibt einen Riesenunterschied! Es gibt viele Kinder, die vor der Pubertät missbraucht worden sind. Ich habe mit 14, 15 Übergrifflichkeit erlebt im Internat in Weilheim. Da konnte ich mich schon selbst wehren. Deshalb empfinde ich mich nicht als Missbrauchsopfer.
Was ist damals eigentlich genau passiert?
Der Präfekt hat sich einen Spaß daraus gemacht, uns mit blitzschnellen Griffen unter die Decke am Pfeiferl zu packen. Wir haben uns alle innerlich gewehrt dagegen und uns fest in die Bettdecke eingewickelt. Trotzdem ist es ihm immer wieder gelungen.
Sie sind aus Weilheim geflüchtet.
Ich war damals der Älteste auf unserem Zimmer und habe gesagt: „Wenn mir das passiert, dann bring’ ich ihn um.“ Habe ich natürlich nicht gemacht, sondern bin aufs Fahrrad gestiegen und nach Hause gefahren. Meine Eltern haben mich dann auch von diesem Internat genommen.
Sie waren vorher auch in Ettal. Haben Sie dort sexuellen Missbrauch durch Patres erlebt oder mitbekommen?
Ich habe dort keinen sexuellen Missbrauch selbst erlebt. Nie! Ich war damals zwölf oder 13. Wir konnten das damals auch nicht richtig einordnen. Als 2010 darüber geredet wurde, haben wir alle gespürt: Wir alle haben irgendwie mitgekriegt, dass manche Patres eigenartig waren. Ich selber aber habe nie Missbrauch erfahren. Mir ist nichts passiert – und ich finde es den wirklichen Opfern gegenüber völlig unpassend und heftig, wenn ich jetzt zum Opfer gemacht werde. Diese Kinder haben wirklich gelitten! Der Bruder von meinem Schwager hat sich das Leben genommen, als 2010 die Geschichte wieder hochgekommen ist. Er hatte Frau und Kinder und es nicht mehr ertragen.
Sie haben gesagt, dass Ihr Glaube an die Institution Kirche am Ende ist. Können Sie dann noch einmal die Passionsspiele inszenieren?
(Wird ärgerlich.) Genau diese Vermischung mag ich nicht! Das eine ist meine Arbeit und hat mit meiner Jugend nichts zu tun! Die Kirche ist nicht mein Arbeitgeber. Ich stehe da in keiner Verpflichtung. Die Geschichte von Jesus zu erzählen, ist etwas anderes, als Mitarbeiter bei der Kirche zu sein.
Steht eigentlich schon fest, ob Sie 2030 noch einmal bei den Passionsspielen Regie führen?
Nein, das ist total offen.
Das Gespräch führte Claudia Möllers.