Queen des britischen Humors

von Redaktion

Zum Tod des australischen Komikers und Schauspielers Barry Humphries alias Dame Edna

VON MARKUS THIEL

Seinen letzten Wunsch, ever so sorry, den kann man nicht erfüllen. Mögen seine Nachrufe ohne Erwähnung von Dame Edna Everage geschrieben werden, forderte Barry Humphries einst. Doch da hatte diese schrille Ex-Hausfrau längst ihren Schöpfer verdrängt. Ungefähr so, als sei Hape Kerkeling endgültig hinter Horst Schlämmer verschwunden. Und dass Humphries, Komiker, Schauspieler und Autor, am Samstag im Alter von 89 Jahren in Sydney ausgerechnet an den Folgen einer Hüftoperation starb, wirkt im Nachhinein wie einer der üblen Gags seines Kunstprodukts.

Für Australien, ja für die gesamte großbritannische Welt ist der Tod Humphries’ übersetzt auf Deutschland gleichbedeutend mit der Abberufung Loriots, Ottos und Heinz Erhardts am selben Tag. Im September die Queen, jetzt Dame Edna – das Commonwealth dürfte sich davon nur schwer erholen. Für Humphries, der aus Melbourne stammt und als Schauspieler in eher unbedeutenden Rollen begann, war die Kreation von Edna Everage (für den Titel Dame sorgte ausgerechnet der australische Premierminister) der Hauptgewinn seines Lebens. Eine vulgäre, narzisstische, schlagfertige, politisch inkorrekte Kampfdiva. Eine Miss Piggy ohne den nymphomanischen Furor der Muppet-Puppe. Gekleidet in Glitzerfummel, gekrönt von lilafarbenen, betonierten Perücken, eine riesige Schmetterlingsbrille auf der Nase und an fast jedem Finger einen geschmacklosen Ring.

Diesem Megastar, so auch der Titel einer ihrer Fernsehshows, gab Barry Humphries eine entsprechend krause Geschichte: die Mutter weggeschlossen im „Hochsicherheits-Dämmerungsheim“, dazu mehrere Kinder, darunter ein ungeouteter schwuler Sohn und eine entführte Tochter, der Mann an den Folgen von Prostatakrebs gestorben – weshalb sich Dame Edna als Gründerin der Organisation „Friends of Prostata“ rühmte. Der schwarze, abgedrehte Humor von Humphries’ Kunstprodukt wurde so kultig, dass ein Besuch der Shows für Stars wie Judi Dench, Tony Curtis, Zsa Zsa Gabor oder Elton John zur Pflicht wurde. Um dort zu erfahren, dass sie ob ihrer Nichtigkeit nur geduldet waren. Als Herabwürdigung musste eine graumäusige Assistentin Namensaufkleber herausrücken („Madge, the badge!“), die Edna ihren Gästen auf die Brust klebte. Andernfalls konnte sie sich nur schwer an die Identität der Interviewten erinnern. Wer zu lang redete, sah, wie sich das Gesicht Ednas vor Langeweile verzerrte – im Grunde waren alle Shows geringfügig unterbrochene Monologe der Gastgeberin.

Was Hape Kerkeling mit seiner Beatrix-Parodie ausreizen wollte, erfüllte sich bei Barry Humphries und seiner Megadiva. Dame Edna war tatsächlich bei Hofe gern gesehen, schüttelte Queen-Mum die Hand, kündigte einmal einen Auftritt von Elizabeth II. an und enterte die königliche Loge im Londoner Palladium-Theater, wo schon Charles und Camilla saßen, um das lachende Paar gleich wieder zu verlassen: Man habe ihr gerade einen besseren Platz angeboten.

Nie missriet Barry Humphries all dies zur Fummeltrinen-Nummer, zur billigen Dragqueen-Sause. Dafür war er als Komiker zu intelligent. Außerdem war das Rosarote (teilweise?) nur vorgetäuscht: Aus den vier Ehen von Humphries stammen zwei Söhne und zwei Töchter. Seine zweitberühmteste Schöpfung war Sir Les Petterson, der sabbernde, saufende australische Kulturattaché. Dazu gab es „normale“ Schauspieler-Auftritte etwa als Metternich im Kinofilm „Ludwig van B. – meine unsterbliche Geliebte“ oder als Großer Goblin in „Der Hobbit“, in der Originalfassung von „Findet Nemo“ lieh er Haifisch Bruce die Stimme.

Seine Dame Edna wurde zur anfechtbar gekleideten Apotheose des britischen Humors. Im deutschen Fernsehen waren die Shows vor allem in den Neunzigerjahren zu sehen. Ganz große Diva, kündigte Edna 2012 ihren Abschied an, um doch immer wieder aufzutreten. Dass sie Fiktion war, diesen Gedanken lehnte sie naturgemäß ab. Ihren Schöpfer Barry Humphries verachtete sie als ihren Manager. Dass der nun im Humor-Himmel sitzt, könnte also eine Chance sein. Gut möglich, dass Dame Edna mit der gewohnten Begrüßungsformel „Hello, Possums!“ demnächst irgendeine Showbühne entert.

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