Offiziell beginnt seine Zeit als Chefdirigent der Münchner Symphoniker zwar erst im Herbst. Doch schon vor wenigen Tagen hatte das Publikum bei einem begeistert aufgenommenen Konzert die Gelegenheit, Joseph Bastian am Pult seines künftigen Orchesters zu erleben.
Wie haben Sie den inoffiziellen Einstand erlebt?
Fantastisch, ich bin immer noch ganz geflasht. Vor allem von der Reaktion des Publikums, die ich so nicht erwartet hatte. Die Arbeit mit dem Orchester war sehr harmonisch, und so banal das klingen mag, sehr professionell. Ich kann schnell auf den Punkt kommen, um das zu erreichen, was ich künstlerisch umsetzen will.
Wird sich die Pflege von Raritäten in Ihrer Amtszeit weiter fortsetzen?
Wir haben natürlich auch Programme mit Beethoven und Co. Worauf ich mich genauso freue. Das sind großartige Werke, die einem Orchester guttun, weil sie keinesfalls leicht zu spielen sind und man an ihnen wächst. Entscheidend ist die richtige Balance aus bekannten Titeln und solchen Werken, die wir wieder bekannter machen wollen. Aber da haben wir zum Glück ein sehr neugieriges Publikum.
Neben Alondra de la Para und Nodoka Okisawa am Pult, fällt auf, dass auch mehr Komponistinnen vertreten sind. So unter anderem die einst als „weiblicher Beethoven“ gefeierte Emilie Mayer.
Das ist mir ein großes Anliegen. Wir haben zum Glück schon einige Dirigentinnen, die sich im Konzertbetrieb etabliert haben. Aber was die Komponistinnen betrifft, müssen wir jetzt die Arbeit machen, die vor 60 Jahren Menschen wie Harnoncourt für die Barockmusik geleistet haben.
Im Herbst starten Sie mit einem Konzert, das mit Camille Pépin, Clara Schumann und Dora Pejačević gleich drei Komponistinnen vereint. Ein Statement?
Es ist auch eine Kooperation mit dem Verein „musica femina“. Aber wir machen das nicht nur, weil es Frauen sind, sondern vor allem, weil es drei phänomenale Stücke sind. Vom Aufbau her ist es wahrscheinlich sogar das konservativste Programm der neuen Saison. Mit einem modernen Stück zum Einstieg, einem Klavierkonzert und einer postromantischen Sinfonie. So, wie man das gewohnt ist. Aber da wollten wir zeigen, dass man das genauso gut mit drei Komponistinnen machen kann und nicht immer nur eine Quotenfrau reinschmuggeln muss.
In dem Fall sind Sie quasi eher der Quotenmann am Pult, während Ihre Kolleginnen Brahms und Korngold dirigieren?
So hab ich das auf der Präsentation für unsere Abonnenten auch formuliert. Es gab so viele Frauen, die von Männern aktiv aus der Musikgeschichte gelöscht wurden. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir Männer uns jetzt mit ihren Werken beschäftigen. Und wenn wir Dirigentinnen keinen Mahler oder Bruckner gönnen und sie klischeehaft darauf reduzieren, nur Musik von Komponistinnen zu dirigieren, geht diese Spaltung ewig weiter.
Ein bisschen wie mit der Musik an sich, die gerne als universelle Sprache verkauft wird. Obwohl am Ende dann doch oft der Deutsche für Wagner und der Franzose für Poulenc ans Pult geholt wird.
Musik ist eben ein Geschäft, in dem wir uns alle ein gewisses Image aufbauen, um uns besser zu vermarkten. Aber die Richtung können wir sehr wohl selbst beeinflussen.
Sie dirigieren auch ein Programm, das von Rameau bis Boulez reicht. Ein Signal für Vielseitigkeit?
Man muss immer flexibel bleiben. Auch was unsere Spielorte betrifft. Beim „Studiosound“ oder bei der „Hörbar“ im Werksviertel haben wir ein anderes Publikum als im Prinzregententheater. Und mit dem „Mikrokosmos“ kommt nun noch ein neues Format in der Allerheiligen-Hofkirche dazu, das aus den kurzen Corona-Konzerten entstanden ist. Mir war es wichtig, dass ich als Chefdirigent in allen Reihen präsent bin, weil ich den direkten Kontakt zum Publikum liebe.
Das Gespräch führte Tobias Hell.