Verliebt, verlobt, verkaisert

von Redaktion

NEUERSCHEINUNG „Roland Kaiser. Live – Das Roadbook“ ist spannender Star-Stoff

VON JÖRG HEINRICH

Dass ein Künstler mit 70 erfolgreicher ist als mit 30 oder 40 – das gibt es nicht oft. Doch Roland Kaiser schafft das Schlagerwunder. Für seine Dresdner „Kaisermania“ im Sommer waren jetzt 60 000 Karten ratzfatz weg. Alle fünf Konzerte ausverkauft, trotz stolzer Preise um die 100 Euro. Und ein neues Buch zeigt ab heute: „Kaisermania“ ist überall, nicht nur in Sachsen. „Live – das Roadbook“ präsentiert den Kult-Kaiser „so nah wie nie“. Auf satten 272 Seiten schauen Autorin Sabine Eichhorst und Star-Fotograf Paul Schirnhofer hinter die Kulissen der Konzerte, lüften das Geheimnis der kaiserlichen Fusselrolle und lassen seine Band als „Familie auf Zeit“ lebendig werden.

So viel vorweg: Wer das Wirken des Musik-Monarchen eher skeptisch betrachtet, liegt mit diesem Buch grundfalsch. Denn hier geht es um eine Heldengeschichte mit einem Hauch Heiligenschein. Um den Mann, dem die Frauen vertrauen – so wie Britta aus Köln, die im Interview darüber plaudert, warum sie ihren „Roli“ bei 100 Konzerten 95 Mal in der ersten Reihe anschmachtet: „Das kann man nicht erklären. Ich habe mir Urlaubstage dazugekauft, weil meine nicht reichten.“ Oder, wie es Brittas Tour-Begleiterin Jacqueline ausdrückt: „Verliebt, verlobt, verkaisert.“

Roland Kaiser als Lebensinhalt, das kommt vor. Wer seinen Kaiser liebt, dürfte von den Bildern und Geschichten begeistert sein. Die Fotos zeigen den Etepetete-Roland beim Soundcheck auch mal lässig mit Hosenträgern und Sonnenbrille. So hat man den Mann selten erlebt, der immer „korrekt“ aussehen will und dessen Frau Silvia sogar eine Datei für all die Tour-Anzüge, Manschettenknöpfe, Einstecktücher und Schuhe angelegt hat. Ihr wichtigstes Utensil ist die Fusselrolle – die zum Einsatz kommt, wenn die Hände der vielen Schulterklopfer Spuren hinterlassen haben.

Die schöne Silvia, 14 Jahre jünger als ihr Gatte, ist die Klamotten-Kümmerin – die fast immer alles im Griff hat. Nur einmal ist der kaiserliche Hosenstall auf der Bühne offen gestanden, was Roland ausgesprochen unangenehm war: „Biste mal mit offener Hose rausgegangen, weißte, wie wichtig diese Frage ist“, berlinert er über sein Missgeschick. „War nicht ganz einfach, den irgendwie zuzukriegen.“

Ansonsten sieht er sich als Grandseigneur alter Schule: „Neulich schrieb eine Zeitung, ich sei Vertreter einer Gattung von Künstlern, die es eigentlich nicht mehr gebe. So wie Peter Alexander, wie Udo Jürgens: vernünftig angezogen, in ganzen Sätzen sprechend, respektvoll im Umgang mit dem Publikum.“

Die meiste Freude macht das „Roadbook“, wenn Kaisers famose Musiker wie Gitarrist Billy King, Chorsängerin Christiane Eiben (die nach ihrer Brustkrebs-Erkrankung im Sommer wieder dabei sein kann) oder Cellistin Lee Caspi voll Zuneigung über „ihren“ Roland schreiben. Da erinnert sich Detlev Goy, seit 32 Jahren am Bass, dass der Superstar auch ganz andere Zeiten erlebt hat. 2006, vier Jahre vor Kaisers Lungentransplantation, „haben wir eines Tages in einer Diskothek in Torgelow gespielt“ – wo die wenigen Zuschauer plötzlich „Joana“ in einer schäbigen Ballermann-Version gegrölt haben. Diese Majestätsbeleidigung wagt heute niemand mehr. Von ganz oben nach ganz unten und wieder zurück: Die große Tour des Roland Kaiser ist spannender Lesestoff.

Sabine Eichhorst und Paul Schirnhofer:

„Roland Kaiser. Live – Das Roadbook“. Heyne, München, 272 Seiten; 19,99 Euro.

Artikel 9 von 11