Eine Bühne für die Größten

von Redaktion

Scorpions-Alben in Neuausgaben auf verschiedenfarbigem Vinyl

VON JOHANNES LÖHR

Das Grusel-Epos „Stranger Things“ beim Streamingdienst Netflix war nicht nur einer der größten Serien-Hits der jüngsten Zeit. Die Handlung spielt auch in den USA der Achtzigerjahre, darum spülte der Soundtrack Songs in die Playlists junger Musikhörer, die ältere Semester längst weit hinten im Oldies-Fach verräumt hatten. Kate Bush etwa verdiente 2,3 Millionen Dollar, weil ihr „Running up that Hill“ abermals die Charts erklomm. Auch Metallicas „Master of Puppets“ kam erneut zu Ehren.

Das Rampenlicht für die Scorpions strahlt in der Serie nicht ganz so hell – aber immerhin: Rudolf Schenkers Gitarrenriff fräst fies, als „Stranger Things“-Bösewicht Billy mit quietschenden Reifen seinen Ford Mustang parkt und seine Cowboystiefel aus der Fahrertür schwingt. Drei Hubba Bubba kauende Dauerwellen-Grazien verzehren sich nach dem Oberlippenflaum-Träger mit den kecken Vokuhila-Locken. „Rock you like a Hurricane“!

Da wird einem wieder bewusst: Die Scorpions waren verdammt noch mal die größte deutsche Band. Damals. Man hat das ja ein bisschen vergessen, nachdem uns die Niedersachsen zur Wende in den Schlaf pfiffen und die Neunziger künstlerisch so wenig gut zu ihnen waren wie zu jeder anderen Hardrockkapelle außer Rammstein.

Jetzt aber gibt es Gelegenheit, sich die Sache noch mal genauer anzuhören – und anzuschauen. Denn BMG bringt heute die alten Scorpions-Platten erneut heraus, auf verschiedenfarbigem Vinyl.

Die Optik ihrer LPs war den Scorpions ohnehin wichtig – und sie selbst dafür berüchtigt. Zum einen verpflichteten sie etwa Helmut Newton für das Coverfoto von „Love at first Sting“ von 1984 (dass ihnen Andy Warhol für den Nachfolger „Savage Amusement“ zu teuer war, bereuten sie später). Andererseits wurde das Originalcover von „Virgin Killer“ – das Bild eines nackten, präpubertären Mädchens – 1976 völlig zu Recht zurückgezogen. Auch bei den Wiederveröffentlichungen ist es nicht dabei. Dafür aber die Originalhülle von „Taken by Force“ (1977), die das Label nach den Erfahrungen vom Vorjahr nervös verhinderte und nur in Japan herausbrachte – dabei ist das Foto von zwei Burschen, die auf einem Soldatenfriedhof Räuber und Schandi spielen, recht gelungen. Die von Hipgnosis gestalteten Schlüpfrigkeiten „Lovedrive“ (1979) und „Animal Magnetism“ (1980) sind gekonnt in Szene gesetzter Altherrenhumor. Am berühmtesten ist wohl Gottfried Helnweins Selbstportät als Schmerzensmann auf „Blackout“, dem Durchbruch von 1982.

Das war zehn Jahre nach dem Debüt der Band. Und so stehen die Scorpions – um auf die Musik zu kommen – besonders für eines: Im Gegensatz zu heutigen Popmusikern durften sie sich entwickeln. Was die Hannoveraner Haudegen interessant macht, sind die Phasen, die sie durchlebten. Der Beginn als Krautrock-Gewächs, die starke Zeit mit Leadgitarrist Uli Roth in den Siebzigern – einem Hendrix-Verehrer, der bisweilen richtig „funky“ klingt. Der eher an Eddie Van Halen geschulte Matthias Jabs, mit dem sie zu Stars wurden. Am Ende steht die Erkenntnis, dass die Scorpions groß wurden wegen ihrer womöglich deutschen Eigenschaften: Sie zogen ihr Ding gründlich und mit vollem Enthusiasmus durch. Und sie mögen nicht alles richtig gemacht haben – aber am Ende auch ziemlich wenig falsch.

Konzert

am 5. Juni in der Olympiahalle. Restkarten unter eventim.de; limitierte Vinyl-Ausgaben unter artofthealbum.store/pages/scorpions.

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