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von Redaktion

Die Münchner Kammerspiele präsentieren ihre nächste Spielzeit

VON ULRIKE FRICK

Krise? Welche Krise? Bei der Saison-Vorschau der Münchner Kammerspiele sprach Kulturreferent Anton Biebl eingangs ein paar markige Worte in Richtung derjenigen, die in den vergangenen Wochen und Monaten das Haus an der Maximilianstraße mit seiner angeblich zu diversen Ausrichtung durch Intendantin Barbara Mundel und Chefdramaturgin Viola Hasselberg zerrupft hatten.

Zahlen wurden dabei kaum genannt. Beim „bundesweit beachteten Statement“ der „Antigone in leichter Sprache“ wagte er, die 94 Prozent Auslastung zu erwähnen. Ansonsten führte Biebl lieber die „Nora“-Inszenierung beim Berliner Theatertreffen an. „Kritik gibt es. Wir verschließen die Augen nicht davor. Heute zeigen wir, wie wir darauf eingehen“, verspricht Biebl, ehe er das Podium Mundel und Hasselberg überlässt. Eine Spielzeit der Uraufführungen werde die kommende Saison sein, kündigte er noch an. Warnte aber vorsorglich: „Uraufführungen bedeuten Mut, Neuem Raum zu geben. Sie bedeuten aber gleichzeitig auch Experimente, die scheitern können.“

Experimente finden sich einige, und spannend klingen sie alle. Für Freunde von Novitäten könnte das „Intergalaktische Musical“ über Bill Gates, Elon Musk und Mark Zuckerberg mit dem Titel „Very Rich Angels“ von Madame Nielsen und Christian Lollike aus Dänemark besonders aufregend werden. Ab 7. Juni 2024 ist die zwischen Mars und Silicon- Valley-Bar pendelnde Komödie zu sehen.

Auch das Chorstück „Xata – Zuhause“ der litauischen Regisseurin Kamilé Gudmonaité, das von Russen und Ukrainern gemeinsam am 13. Oktober uraufgeführt wird, verspricht genau die frische Mischung aus politisch-gesellschaftlicher Ambition und künstlerischem Wagemut, die an den Kammerspielen von manchen so heftig kritisiert wird. Dabei ist längst nicht mehr zu übersehen: Die Welt ist im Wandel und das Theater mit ihr. Die soliden Stadtbühnen mit ihrem strapazierfähigen Abo-Publikum haben ausgedient. Ohne Innovationen, Inklusion, Impulse und erbitterte Debatten geht es nicht.

Sieht man sich das Programm an, scheint es, als hätten Mundel und Hasselberg die Empörung registriert. So finden sich neben den künstlerischen Gratwanderungen auch Abende, die weniger experimentierfreudige Besucher nicht verschrecken. Jan Bosse, der zuletzt mit den „Effingers“ einen großen Publikumserfolg im Schauspielhaus inszeniert hatte, formt erneut einen Roman zu einem epischen Theaterabend um. In diesem Fall handelt es sich um Sasha Marianna Salzmanns „Im Menschen muss alles herrlich sein“ über die Umbruchphase der Sowjetunion hin zu einem hoffnungsvollen Aufbruch in den frühen Neunzigerjahren. Die Premiere ist für den 30. September 2023 geplant.

Krieg/Krisen, Gesundheit/ Alter/Sterben sowie Klimawandel sind die drei inhaltlichen Schwerpunkte für 2023/24. Regisseurin Karin Henkel formt dazu passend Michael Hanekes preisgekrönten Spielfilm „Liebe“ über ein zunehmend pflegebedürftiges Rentnerpaar zu einem Bühnenstück um (Premiere am 21. Oktober 23). Puppenspiel-Experte Jan-Christoph Gockel, dessen Produktion „Eine Jugend in Deutschland“ viel Beachtung fand, setzt Shakespeares „Sturm“ in Bezug zu „Das Dämmern der Welt“, den aktuellen Roman des Filmemachers Werner Herzog (15. Dezember 23).

Mit einer weiteren Romanadaption, „Als lebten wir in einem barmherzigen Land“ von der Britin A. L. Kennedy, läuten die Kammerspiele dann das Jahr 2024 ein. Der Schweizer Regisseur Christoph Frick („Who Cares“) wird ab 9. Februar mit dem Drama „Land“ über Landwirtschaft in verschiedenen, von unterschiedlichen Krisen gebeutelten Jahrhunderten für Furore sorgen. Die für ihre freche, wahre und bitterböse Komödie „Jeeps“ gefeierte Autorin und Regisseurin Nora Abdel-Maksoud bringt am 5. April ein neues Stück mit dem verheißungsvollen Titel „Doping“ zur Uraufführung. Um Sportler gehe es nicht, verrät sie. Vielmehr beschäftige sie sich damit, was kranke Menschen anstellen, um im Job leistungsfähig zu bleiben. Momentan tauche sie „ab in den Gesundheitsmarkt und die ganze Industrie, die dahinter steckt“. „Ich ahne aber, dass auch die FDP eine Rolle spielen könnte“, plaudert Abdel-Maksoud aus.

Ein Termin ragt aus dem vielfältigen Angebot der Kammerspiele noch heraus: Im künftig in loser Folge fortgesetzten „MK: Stadtgespräch“ kann man am 15. Mai im Habibi Kiosk mit der Theaterleitung diskutieren.

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