Die Reaktorhalle an der Münchner Luisenstraße hat sich schon lange als alternative Spielstätte etabliert, in der neugierige Opernfans nicht nur auf interessante Raritäten stoßen, sondern nebenbei auch Nachwuchstalente der Hochschule für Musik und Theater auf ihrem Weg verfolgen können. „Für die Studierenden ist dieser Raum wichtig, weil es ein Ort ist, an dem sie sich ausprobieren und Bühnenerfahrung sammeln dürfen“, sagt Waltraud Lehner, die hier vor zehn Jahren das Projekt „Musiktheater im Reaktor“ auf den Weg gebracht hat.
Wichtig ist der Professorin vor allem die Bandbreite, die sie ihren Schützlingen mitgeben möchte – im Idealfall ein Werk der Alten Musik und unbedingt einen Mozart. Aber ebenso Zeitgenössisches und eine Komposition des populären Kanons, um für den Repertoirebetrieb gerüstet zu sein.
Ein solcher Schlager ist zweifellos Puccinis „Gianni Schicchi“, den Lehner derzeit gemeinsam mit ihrer Ko-Regisseurin Paulina Platzer einstudiert – und das in doppelter Besetzung. Das ist bei diesem komödiantischen Einakter durchaus eine Herausforderung, weil der Fokus vor allem auf den schnell getakteten Ensembles liegt, in denen man die Partner genau im Blick haben muss. „Das bedeutet musikalisch natürlich mehr Arbeit, weil es sehr auf die Genauigkeit ankommt“, erzählt Antonia Modes, die Darstellerin der Lauretta, nach einer ersten Durchlaufprobe. Die Arbeit im Ensemble empfinden sie und ihre Mitstudierenden aber nicht nur als Herausforderung, sondern ebenso als Bereicherung. „Lied und Konzert machen mir natürlich auch Spaß, aber Oper ist das, wofür mein Herz schlägt. Ich fühle mich total wohl, wenn ich beim Singen spielen darf und immer wieder in andere Rollen schlüpfen kann.“
Dazu kommt in dieser Produktion noch die Kommunikation mit der Kamera, die sich an neuralgischen Punkten ins Geschehen einmischt. Ein Regieeinfall, an dem Linus Mödl, der den Titelhelden singt, großen Gefallen findet. „Mir hilft es sogar, weil man da auf den Proben nicht so ins Leere hinein singt und einen Ansprechpartner hat.“ Für den Bariton ist der Schicchi sein erster Puccini, was er durchaus genießt. „Außerhalb der Hochschule wäre es vielleicht noch zu früh, aber es ist gut, wenn man hier quasi im geschützten Raum schon mal die Grenzen seiner Stimme austesten kann.“
Ähnlich ausgereizt werden aber auch andere Grenzen. Wird der Einakter doch mit György Ligetis „Aventures“ verwoben, die auf dem Höhepunkt der Verwirrungen für ein skurriles Zwischenspiel sorgen. Ein radikaler Bruch, der von den Studierenden mittlerweile aber als sehr organisch empfunden wird, wie Bariton Tobias Lusser bestätigt. „Die Lagen sind schon exponierter als bei Puccini, aber Ligeti hat sehr detaillierte Angaben gemacht, die einem bei der Interpretation helfen.“ Zustimmung kommt von seiner Kollegin Laure Cazin, die eigentlich im anderen Team besetzt ist, an diesem Tag aber einspringt und damit die Probe rettet. „Ich muss da auch nicht umschalten, weil der emotionale Übergang relativ fließend ist. Für mich sind es teilweise fast schon kleine Arien, die man sehr lyrisch und sehr in Richtung Belcanto singen muss.“ Davon kann man sich ab morgen in der Reaktorhalle selbst ein Bild machen.