Wer heutzutage an Sammler denkt, sieht angesichts eines überhitzten Kunstmarkts vor allem Geldsäcke vor sich. Die kaufen alles zusammen, was gerade angesagt ist. Da passt ein Prinz doch ins Bild. Der war allerdings weder geldig noch ignorant. Franz von Bayern war in den Sechzigerjahren hungrig – nach Kunst. Alt und berühmt durfte sie sein, das ist klar. Aber da gab es noch das prickelnde, unberechenbare Jetzt. Und am unberechenbarsten war dieses Jetzt in der Kunst, die sich frei strampelte und zugleich vieles aufarbeitete: Nazi-Doktrin hier, dann die Alten aus Expressionismus und Dadaismus, dort die jüngeren Richtungsgeber aus Informel, Minimalismus, Abstraktem Expressionismus und der Pop Art. Der heutige Herzog und damalige Prinz sah diesem Strampeln nicht nur zu. Er unterstützte es, sammelte die Befreiungsschläge und errang sich wohl auch selbst Freiheit.
Die Sammlung Moderne Kunst in der Münchner Pinakothek der Moderne beschenkt sich und uns nun mit der Ausstellung „Ungekämmte Bilder. Kunst ab 1960 aus der Sammlung Herzog Franz von Bayern“ (im Rahmen von „Sammlung +“) anlässlich seines 90. Geburtstags, der am 14. Juli zu feiern sein wird. Niemand in der Kunstszene und in Bayern als die Staatsgemäldesammlungen weiß besser, dass das Land ohne die Wittelsbachischen Kollektionen armselig dastünde. Das hebt Generaldirektor Bernhard Maaz bei der Pressekonferenz hervor. Und Bernhart Schwenk, Chef der Moderne, unterstreicht, dass ohne Prinz Franz’ rat-gebendes Drängen die Museumsleute so manches „ungekämmte Bild“ (Zitat Herzog Franz) nie erworben hätten. Wer heute längst in den Kanon aufgenommen ist, galt in den Sechzigern eher als dubiose Figur.
Also begegnet man in Saal 21 Helden der Kunstgeschichte von Joseph Beuys über Georg Baselitz und Blinky Palermo, Gerhard Richter und Sigmar Polke bis A. R. Penck. Schon bei vielen der Gemälde und Gemälde-Skulpturen, die Schwenk mit Verena Hein (neue Leiterin des Referats zur Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts) ausgewählt hat, spürt man, dass dem Sammler stets die malerische Qualität wichtig war und meist eine gewisse Stille. Das Freistrampeln musste nicht mit optisch plakativem Getöse stattfinden.
Daher freuen wir uns mit Herzog Franz am wunderbaren Heinz Butz, der im vergangenen Jahr gestorben ist, an Rudi Tröger, der die Realität in ein Gespinst des Abstrakten webt, an Maria Zerres, die farbselig Märchen erahnen lässt, oder auch an Annette Lucks, deren Pinselstrich wirbelig über Malerei nachdenkt. Den zeitlichen Auftakt in der Schau macht Oskar Coesters (1886-1955) weite Wiesenlandschaft „Mit Schienenstrang und großer Figur“, die mit ihrer surrealen Überblendung sehr heutig erscheint. Den vorläufigen zeitlichen Abschluss setzen Philip Grönings „Blumen“ (2021). Mit seinem Leuchtkästen-Objekt verbindet er Fotografie, Fotozeichnung und Druck.
Herzog Franz ist freilich nicht allein ein leidenschaftlicher Sammler und diplomatischer Ratgeber, sondern auch ein freigiebiger Schenker. Bereits 1984 ging ein Hauptteil seiner Werke an den Wittelsbacher Ausgleichsfonds, und zwar, um sie allen Menschen präsentieren zu können. Im Jahr 2022 kam es zu einer weiteren Stiftung von 800 Werken.
Bis 3. Oktober,
Di.-So. 10-18 Uhr, Do. bis 18 Uhr, Telefon 089/23 80 53 60. Ein Interview mit Herzog Franz ist im Heft „Parcours 2023“ der Staatsgemäldesammlungen zu finden.