Zu Tisch, bitte

von Redaktion

AUSSTELLUNG Die Neue Sammlung feiert die Wiederverwertung

VON ALEXANDER ALTMANN

„Guten Appetit“ traut man sich hier fast nicht zu sagen. „Gesegnete Mahlzeit“ möchte man eher wispern angesichts der festlichen Tafel samt Pflanzenschmuck, die von der Neuen Sammlung, dem Designmuseum in der Münchner Pinakothek der Moderne, ebendort aufgedeckt wurde. Zweck der Installation „Phoenix – Reborn Beauty“ mit 26 Gedecken ist aber nicht das nächste Sponsorendinner, sondern die Präsentation eines ganz neuen Porzellankonzepts, das die Nymphenburger Porzellanmanufaktur erfunden hat – und das einmal mehr beweist, dass Design und Marketing eigentlich untrennbar sind.

Nachdem Recycling heute nämlich schwer angesagt ist, wollen offenbar auch Hersteller von Luxusprodukten (die eigentlich sowieso nachhaltiger sind) auf den Zug der Zeit aufspringen und ihr Stück vom trendigen Kuchen abbekommen: Porzellanrecycling soll der neue Hit werden, denn wer kennt es nicht, das Problem, dass man plötzlich das teure Service der Großtante erbt, aber, weil man ja selber ohnehin noch alle Tassen im Schrank hat, nicht weiß, wohin mit dem unerwarteten Schatz. Einfach beim nächsten Polterabend zerdeppern?

Das muss nicht sein, denn jetzt gibt es dank der Nymphenburger Porzellanmanufaktur endlich eine umweltfreundliche Lösung: verschönern! Die findige Manufaktur lässt gebrauchtes, aber edles Porzellangeschirr durch zeitgenössische Bemalung gleichsam modernisieren. Eine Art Geschirr-Tuning sozusagen, bei dem die Teller zwar nicht tiefer gelegt, aber mit Rallye-Streifen versehen werden – bildlich gesprochen.

Dabei kann man zwischen zwei verschiedenen Design-Linien wählen, die von der bekannten holländischen Gestalterin Hella Jongerius entworfen wurden und nun an der festlichen Tafel zu besichtigen sind. Zum einen gibt es, quasi für die Punks unter den „Nymphenburg“-Kunden, das Dekor „Dripping“, das aussieht, als hätte jemand eine Dose blaue, schwarze oder goldene Ölfarbe auf den Tellerrand gekippt, die dann in typischen Rinnsalen über die Fläche gelaufen ist. Und dass die Verbindung dieses destruktiven Befleckungsgestus mit edlem Porzellan etwas Obszönes, ja Dekadentes hat, gehört hier natürlich bewusst zur Designidee. Womöglich hofft man, damit Käuferschichten anzusprechen, die Porzellan grundsätzlich für Nippes halten.

Die zweite, etwas dezentere Design-Linie „Weeds“ dürfte auch vegane Kunden erfreuen, zeigt sie doch zierlich gemalte Fantasie-Unkräuter, die das vorhandene Original-Blümchendekor überwuchern und so einen Hauch zarter, gesitteter Verwilderung auf jeden hübsch gedeckten Tisch bringen.

Der einzige Wermutstropfen bei diesem lukullischen Design-Menü: Die drei Werbespots für das neue Konzept, die man via Kopfhörer serviert bekommt, sind so unsäglich kitschig und peinlich, dass wir über sie schnellstens den Mantel des Schweigens breiten. Sonst müsste man hier verbal glatt noch eine Menge Porzellan zerschlagen.

Bis 18. Juni,

Di.-So. 10 bis 18 Uhr, Do. bis 20 Uhr; www.pinakothek-der- moderne.de.

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