Beliebte Bücher für Zwei- bis Siebenjährige in sieben verschiedenen Sprachen, kostenlose Vorlesegeschichten per App aufs Handy und Lesepaten aller Altersstufen: Mit zahlreichen Angeboten will die Stiftung Lesen Familien Lust aufs Vorlesen machen. „Viele Eltern fühlen sich vom Vorlesen überfordert“, sagte die Geschäftsführerin der Programme der Stiftung Lesen, Sabine Uehlein. „Insbesondere die männliche Perspektive fehlt.“
Den Kindern jeden Tag zehn bis 15 Minuten vorzulesen, ist nach Einschätzung der Fachleute ein guter Weg, damit Buben und Mädchen lesen lernen. „Wir müssten den Kindern das Versprechen geben: ,Wenn du die Grundschule verlässt, kannst du lesen‘“, sagte Uehlein. Vier von zehn Kindern verließen die Grundschule mit Schwierigkeiten beim Lesen – in der Pandemie habe sich dies weiter verschlechtert.
„Lesekompetenz und Lesemotivation sind zwei Seiten einer Medaille. Wenn die Leseflüssigkeit und -geschwindigkeit nicht reicht, wird auch kein sinnentnehmendes Lesen möglich“, beschreibt Uehlein die Folgen. „Was in den ersten sechs Jahren an Wortschatz und Spracherfassung nicht gelernt wurde, ist nur extrem schwer zu korrigieren.“
„Vier von zehn Kindern im Alter von ein bis acht Jahren wird zu Hause selten oder nie vorgelesen“, sagte Uehlein. „Rund 6,2 Millionen der 18- bis 64-jährigen, Deutsch sprechenden Erwachsenen in Deutschland können nicht richtig lesen und schreiben.“ Dazu kämen viele andere Gründe: Unsicherheit oder Mangel an Vorbildern etwa. Viele Eltern hätten auch keine Zeit, keinen Raum oder keinen Spaß am Vorlesen. Andere seien der Meinung, ihre Kinder läsen nicht gerne oder sähen das als Aufgabe der Kitas und Schulen – oder ihnen fehle Material in ihrer Herkunftssprache.
Deshalb werden nun in Kooperation der Stiftung Lesen mit sechs Kinderbuchverlagen neun beliebte Bilderbücher übersetzt und sind ab Herbst auch auf Arabisch, Farsi, Polnisch, Rumänisch, Russisch, Türkisch und Ukrainisch zu haben. „Wir haben uns als Gesellschaft noch nicht klargemacht, wie viele Kinder in Familien mit anderen Sprachen aufwachsen“, sagte Uehlein. „Würde es das Buch nur auf Deutsch geben, würden diese Eltern gar nicht vorlesen. Wir lassen zu viel Potenzial liegen, wenn wir sagen, für dich gibt es nichts.“