Auf Du mit dem Publikum

von Redaktion

Sir Simon Rattle wird in seiner ersten Münchner Spielzeit auch abseits normaler Konzerte präsent sein – ein Überblick

VON MARKUS THIEL

„Hoagascht“ kommt fast akzentfrei über die Lippen, auch das Wort „Landesjugendorchester“. Ansonsten beließ es Sir Simon Rattle bei der Vorstellung seiner ersten Münchner Saison beim Britischen – obwohl ihm sein Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks schon ein T-Shirt mit Dialektausdrücken geschenkt hat.

Nach vier Spielzeiten ohne Chef, erstmals in der Geschichte dieses Ensembles, kommt es nun fast zur Dauer-Präsenz des Neuen. Rattle startet mit dem Urknall, mit Haydns „Schöpfung“. Er dirigiert unter anderem auch Mozarts „Idomeneo“ konzertant, Schönbergs „Gurre-Lieder“, Skrjabins „Le Poème de l’Extase“, Beethovens „Pastorale“ oder „Klassik am Odeonsplatz“. Vor allem aber ist der 68-Jährige viel abseits der Abo-Programme präsent. Das unterscheidet ihn stark vom 2019 verstorbenen Vorgänger Mariss Jansons – das BR-Symphonieorchester richtet sich mit Rattles Amtsantritt tatsächlich neu aus.

Ab kommenden Herbst ist der Chefdirigent aktiv etwa in einem Familienkonzert, bei der Orchesterakademie, beim Landesjugendorchester, bei der Musica Viva, bei öffentlichen Proben mit Schülerinnen und Schülern und eben beim „Symphonischen Hoagascht“ mit Blaskapellen aus dem bayerischen Raum. Ganz folgerichtig bekommt das Musikvermittlungsprogramm einen neuen Namen, unter „BRSO und du“ lädt man nun ein zum „Entdecken und Mitmachen“. Fleißig geduzt wird auch schon auf der Führungsebene. Bei der Pressekonferenz zur Saisonvorschau verzichteten BR-Intendantin Katja Wildermuth und Kultur-Programmdirektor Björn Wilhelm aufs „Sie“ für den britischen Sir. Man kennt und schätzt sich offenkundig und bekommt sich gar nicht mehr ein vor Freude über den Neuanfang. Wildermuth sprach von einer „Win-win-win“-Situation.

Ansonsten sind in der kommenden Spielzeit bewährte Gäste wie Riccardo Muti, Iván Fischer, Franz Welser-Möst und Sir John Eliot Gardiner dabei. Für besondere Farbtupfer sorgen Constantinos Carydis oder Maxim Emelyanychev. Der Herren-Phalanx stehen nur zwei Damen gegenüber, nämlich Emmanuelle Haïm und Shiyeon Sung. Der dann 96-jährige Herbert Blomstedt kommt für einen Brahms-Zyklus – parallel dazu ist der dann 88-jährige Zubin Mehta bei den Münchner Philharmonikern mit fast identischem Programm gebucht. Ein Dino-Duell.

Rattle legt Wert darauf, dass fünf Auftragskompositionen uraufgeführt werden – von Komponisten zwischen 17 und 97 Jahren. Große Tourneen gibt es vorerst nicht, man gastiert unter anderem in Paris, Wien und Berlin – aber auch in Ottobeuren, Regensburg und Bad Kissingen.

Rattles große Repertoire-Bandbreite spiegelt sich auch in einem besonderen Projekt: In den nächsten Jahren möchte der neue Chef aus dem BR-Symphonieorchester eine Truppe formieren, die auf historischen Instrumenten spielt. Überhaupt solle der Barock ein größeres Thema werden beim BR. (Informationen zum genauen Programm unter www.brso.de).

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