Der Geist der Liebe

von Redaktion

„Ghost“ hatte Premiere im Deutschen Theater

VON KATRIN BASARAN

Es wird plötzlich merkwürdig eng in der Kehle. Man schluckt, die Augen werden feucht. Was soll das? Zumal das Geschehen auf der Bühne kitschiger kaum sein könnte: Sam geht in ein gleißendes Licht. „Ich liebe dich“, sagt er noch, bevor er in der Helligkeit verschwindet. „Dito“, ruft Molly ihm nach. Das Ende des Musicals „Ghost“ lässt kaum jemanden kalt, ein verstohlener Blick ins Rund des Deutschen Theaters bestätigt es. Dann wird’s dunkel, das Licht ist aus – und das Premieren-Publikum am Dienstagabend bricht in lautstarken Jubel aus.

Nun ist es immer riskant, Filme mit Kultstatus als Musical auf die Bühne zu bringen. Die Erwartungen der Besucher sind hoch, jeder verbindet mit dem Original eigene Erinnerungen. Bei „Ghost“, das auf dem Blockbuster von 1990 mit Patrick Swayze, Demi Moore und Whoopi Goldberg als Medium Oda Mae Brown beruht und hier in einer Neuinszenierung von Manuel Schmitt gezeigt wird, geht die Rechnung (fast) auf. Abzüge gibt es an diesem Abend nur für die unausgewogene Tontechnik: Vor allem wenn der Chor singt, überdeckt die bisweilen schmissige Playback-Musik den Live-Gesang, der zum Einheitsrauschen wird. Was bedauerlich ist, schließlich sind bis auf die „Unchained Melody“ der Righteous Brothers alle Texte ins Deutsche übersetzt. Die Musik für das Musical von Glen Ballard stammt übrigens aus der Feder von Dave Stewart, der mit Annie Lennox einst Eurythmics war.

Und jede einzelne Stimme hätte es verdient, gehört zu werden: Das Ensemble ist durchweg überzeugend, Sam-Darsteller Thomas Hohler hört man gern zu, ebenso Kim-David Hammann als mörderischem Freund Carl, der seine falsche Freundlichkeit ebenso wie seine tiefe Verzweiflung überzeugend darzustellen weiß.

Katrin Merkl singt Molly anfangs mit etwas schrillem, quäkenden Sopran, kann aber durch ihr glaubwürdiges Spiel viel an Boden wieder gutmachen. Sie harmoniert mit ihrem Sam – die Duette der beiden sind wunderbar klar und wirken jederzeit echt und intim. Der heimliche Star des Abends ist aber Louisa Heiser als Medium Oda Mae Brown. Eine urkomische Naturgewalt, wie sie da über die Bühne wirbelt, schauspielernd mit allem, was sie hat, Körper, Gestik, Mimik und einer riesigen Spielfreude. Ach ja, singen kann diese kleine große Frau auch noch!

Damit die Liebesgeschichte um Sam und Molly nicht hoffnungslos in den Neunzigern versinkt, hantieren alle mit Smartphones, die Businessmenschen tragen Rolli zum Anzug, und das Bühnenbild gleicht auf dem ersten Blick einem Gamedesign. Es besteht aus riesigen auf mehreren Ebenen installierten Schiebe-Elementen, die dank eines ausgeklügelten Lichtkonzepts und einer genialen Choreografie in atemberaubender Geschwindigkeit zwischen Loft, U-Bahn, Straße, Büro switchen und dabei dem Geschehen zusätzliche Dynamik und Flexibilität verleihen.

Wie kleine Inseln wirken da die stillen Momente mit Mollys Trauer, die in angenehmer Ruhe auserzählt werden und eine berührende Nähe beim Publikum erzeugen. Als Höhepunkt hätte man vielleicht die berühmte Töpfer-Szene erwartet: Sie wissen schon – die, in der Sam als Geist gemeinsam mit Molly höchst innig einen Lehmklumpen bearbeitet. Sie wirkt hier eher wie ein Zitat. Eine kluge Entscheidung: Mit dem Fokus auf Sams und Mollys Erlösung setzt das Musical ganz eigene Akzente, die Fans des Films Enttäuschungen ersparen. Taschentücher und wasserfeste Mascara sind aber in jedem Fall empfohlen.

Weitere Vorstellungen

bis 21. Mai; www.deutsches-theater.de.

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