IN KÜRZE

Müller verlässt Philharmoniker Donna Leon beklagt Zensur Dündar befürchtet Exodus aus der Türkei

von Redaktion

Paul Müller, Intendant der Münchner Philharmoniker, wird das Orchester verlassen. Dazu, so ist auf Anfrage aus dem Ensemble zu hören, wurde ein Auflösungsvertrag zum 31. Dezember 2024 geschlossen. Eigentlich hätte Müllers Vertrag bis August 2026 gegolten. Das frühere Ende habe mit dem Antritt des neuen Chefdirigenten Lahav Shani zum 1. September 2026 zu tun, sagte Orchestersprecher Christian Beuke. Auf diese Weise komme es zu keinem kompletten, auch planungstechnisch heiklen Umbruch bei den Philharmonikern. Es handle sich um „eine geordnete Übergabe“. Paul Müller (Foto: Ralf Kruse) ist seit 2008 Intendant der Philharmoniker, zuvor war er sechs Jahre lang in gleicher Funktion bei den Bamberger Symphonikern. Der jetzt 64-Jährige betreute die Philharmoniker in schweren Zeiten – angefangen von der Krise um die Trennung von Chefdirigent Christian Thielemann über den plötzlichen Tod des Nachfolgers Lorin Maazel bis zur Abservierung des Putin-Unterstützers Valery Gergiev. Müller hatte maßgeblich dafür gesorgt, dass Gergiev 2015 an die Spitze der Philharmoniker kam.

Autorin Donna Leon sieht eine neue Zeit der Zensur gekommen: „Wir leben jetzt in einer Welt, in der man nichts schreiben darf, was Leser kränkt, überrascht, verletzt, verstört oder in irgendeiner anderen Weise Empfindlichkeiten berührt“, sagte die 80-Jährige der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Das nennt man Zensur.“ Die Praxis, Klassiker wie „Pippi Langstrumpf“ von rassistischen Begriffen zu reinigen, verglich Leon mit der Geschichtsklitterung des Kommunismus: „Im Namen von Werten und Moral redigieren die Leute die Vergangenheit um.“ Leon plädiert dafür, Sprache der Vergangenheit als Teil der Geschichte anzuerkennen.

Nach Einschätzung des Journalisten Can Dündar werden weitere Intellektuelle die Türkei verlassen, sollte Recep Tayyip Erdogan die Stichwahl um das Präsidentenamt gewinnen. „Es wird einen Exodus brillanter Menschen geben“, sagte Dündar, der im Exil in Deutschland lebt. „Nach 21 Jahren unter der Herrschaft Erdogans wären weitere fünf Jahre unerträglich.“ Am Berliner Maxim Gorki Theater organisiert Dündar derzeit „Gezi – Ten Years after“. Das Festival soll an die Proteste in der Türkei vor zehn Jahren erinnern. Sie hatten sich zunächst gegen die Bebauung des Gezi-Parks in Istanbul gerichtet, weiteten sich aber zu landesweiten Demonstrationen gegen die autoritäre Politik Erdogans aus. Die Regierung ließ die Proteste niederschlagen.

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