Heißes Eisen

von Redaktion

60 000 feierten Rammstein beim ersten von vier München-Konzerten

VON KATRIN BASARAN

Am Ende findet er wenigstens einige direkte Worte der Ansprache: „München, danke, dass ihr hier seid, bei uns seid!“ Mehr sagt Till Lindemann bei diesem ersten von vier Konzerten im Münchner Olympiastadion nicht. Da ist der Abend schon fast gelaufen – und klar, das Stadion jubelt. Dass einige Fans ihre Tickets wegen der Enthüllungen zurückgegeben haben, mag sein, allein, man merkt es nicht. Keiner hier, das machen die rund 60 000 im Stadion klar, will sich das Konzerterlebnis nehmen lassen. Schon vor Beginn hatte man sich im Rund mit La-Ola-Wellen auf das Kommende eingestimmt. Und so stehen die Fans vom ersten Takt an auf, als es um 20.30 Uhr losgeht mit „Rammstein“, gefolgt von „Links 2, 3, 4“, „Bestrafe mich“, „Giftig“ und „Puppe“, jenem Song, bei dem ein riesiger Kinderwagen in Flammen gesetzt wird.

Die Pyrotechnik hat da schnell ordentlich zu tun, dunkle Schwaden legen sich übers Stadion, schwarzes Konfetti regnet – und die Fans sind verzückt. Dabei hat man die Rammstein-Jungs schon energiegeladener erlebt, verspielter irgendwie. Zwischen all dem Getöse, dem bombastischen Pyro-Zauber, den fetten Riffs, dem teutonischen „Rrrr“ und Lindemanns gruseligem Augenrollen scheint die Ironie, der Witz abhandengekommen.

Es ist für Deutschlands erfolgsverwöhnten Metal-Export Nummer eins derzeit ja auch alles andere als lustig. Schwere Anschuldigungen werden von sehr jungen Frauen gegen Rammstein-Frontmann Till Lindemann erhoben: Teils anonym berichteten sie davon, wie sie gezielt für Aftershow-Partys der Band ausgewählt wurden . Lindemann soll sich zusätzlich junge Frauen aus der sogenannten Row Zero, einem abgesperrten Bereich unmittelbar neben der Bühne, ausgewählt haben, um sich während der Konzerte oder danach befriedigen zu lassen. Sexuelle Nötigung, Machtmissbrauch stehen da im Raum, Beweise gibt es dafür bislang keine. Ermittelt wird derzeit auch nicht.

Und doch hinterlässt etwa der „Deutschland“-Remix ein merkwürdiges Gefühl: Das lange Instrumental-Stück soll Lindemann schon für eigene Spielchen genutzt haben. Unbeobachtet sind die Rammstein-Musiker aber eigentlich nie – als sie plötzlich von der Bühne verschwinden, zeigen Bilder auf den Leinwänden, wie sie backstage und schließlich zur kleinen Bühne in der Arena gehen, wo sie eine von ihrer Vorband Abélard am Piano begleitete Version von „Engel“ performen. Ein sehr ruhiger Moment, bei dem die Smartphonelichter eine eigene Atmosphäre zaubern.

Später besteigen Rammstein Schlauchboote und lassen sich von den Fans zur Bühne tragen. Die Kamera fängt Bilder der Musiker ein, die anscheinend aufrichtig dankbar die Hände ihrer Fans drücken. Ansonsten interagieren die sechs Musiker aber auch kaum miteinander, fast ist da so etwas wie Distanz. Kaum gemeinsames Headbanging oder Umeinander-Getanze.

Natürlich liefern Rammstein wieder sehenswertes, beeindruckendes Konzerttheater mit allem Drum und Dran: bombastisches Feuerwerk, cleveres Lichtdesign, Lindemanns volle Stimme, die Fans feiern textsicher vor allem die alten Hits und sind beseelt. Womöglich fällt es ihnen dann auch nicht auf, dass „Pussy“ aus der Setlist gestrichen wurde. Es ist der Song, bei dem Lindemann eine gigantische Peniskanone besteigt und Schaum in die Menge spritzt.

Zum Schluss beugen die Sechs wie stets das Knie vor den Fans. Es gab Aufrufe im Netz, es ihnen im Gegenzug aus Solidarität gleichzutun. Zu erkennen war nichts. Gegen 22.45 Uhr war Schluss.

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