Eindrucksvolles Finale

von Redaktion

Kate Beaton beendete ihre Deutschlandtour in München

VON MICHAEL SCHLEICHER

Als sie ihr Studium der Geschichte und Anthropologie abgeschlossen hatte, wollte die Kanadierin Kate Beaton ihr Studentendarlehen zurückzahlen und lernte dabei den Kapitalismus in einer seiner härtesten Ausprägungen kennen: Die 39-Jährige arbeitete zwei Jahre auf den Ölsanden ihrer Heimat, also in einem Fracking-Camp. Die Nullerjahre waren der Höhepunkt des Öl-Booms – in der Wildnis Westkanadas entstanden Containerstädte, die vor allem die Ostküstenbewohner anzogen, deren Region durch den Niedergang der Fischerei kaum Perspektiven bot. Es ist eine raue Welt, dominiert von Einsamkeit, Isolation, körperlicher und seelischer Belastung, in der Beaton damals schuftete.

„Ich kam von der Uni und dachte, ich sei gut ausgebildet und kenne mich aus. Und dann landete ich an einem Ort wie unserem Camp und – wusste nichts“, erzählt sie am Sonntag im Amerikahaus, wo sie im Rahmen des Comicfestivals zu Gast ist. München ist die letzte Station ihrer Deutschlandtour, auf der die Zeichnerin ihre Graphic Novel „Ducks – Zwei Jahre in den Ölsanden“ vorstellte.

Mit ihrem Buch, dessen Übersetzung soeben in einer sehr schönen Ausgabe erschienen ist, hat Beaton auch viele Menschen außerhalb der Comic-Szene erreicht. Nicht zuletzt, weil es der ehemalige US-Präsident Barack Obama 2022 auf seine jährliche Empfehlungsliste gesetzt hat. „Ducks“ begeistert zu Recht: Der klare, nüchterne Strich unterstreicht den Reportagen-Charakter, trotz aller Brutalität erzählt die Kanadierin aber zudem sehr empathisch von (Mit-) Menschlichkeit.

Nach München ist sie mit der kanadischen Lyrikerin Lindsay Bird gekommen, die mit ihr im Camp gearbeitet hat und die ihre Eindrücke im Band „Boom Time“ notierte, den es (bislang) nicht auf Deutsch gibt: „Man lernt die Grautöne des Lebens kennen“, sagt die Autorin, deren Gedichte die Ausbeutung von Mensch und Natur trotzig zum Klingen bringen. Damit sind die Texte an diesem Nachmittag eine wunderbare Entsprechung zu Beatons Zeichnungen – und zum Humor der beiden Frauen, der trotz allem stets spürbar ist.

Kate Beaton:

„Ducks“. Reprodukt & Zwerchfell Comics, Berlin, 448 Seiten; 39 Euro.

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