Mit Repertoireklassikern ist es oft eine zweischneidige Angelegenheit. Sie garantieren einerseits fast immer einen vollen Saal, doch bergen Werke wie Beethovens Fünfte eben auch die Gefahr, in Routine zu verfallen. Ein Problem, das Dirigent Andris Nelsons glücklicherweise klug zu umschiffen wusste, indem er sich am Montag in der Isarphilharmonie bereits bei den berühmten Anfangstakten ebenso draufgängerisch wie kompromisslos mit forschen Tempi auf die Partitur stürzte. Dieser Mut zum Risiko wurde vom glänzend disponierten Mahler Chamber Orchestra mit sichtbarer Spielfreude belohnt und garantierte eine überaus vitale Interpretation, die das Publikum mit geradezu frenetischem Applaus honorierte.
Damit wurden dann sogar noch einmal die Ovationen für Solist Lang Lang überboten, den man im ersten Teil des ausverkauften Abends mit Beethovens Klavierkonzert Nr. 3 erlebt hatte. Eine Darbietung, bei der sich Pianist und Dirigent in Sachen Tempi nicht immer ganz einig schienen, und Nelsons noch die Nachwehen der pathetisch klobig geratenen „Coriolan“-Ouvertüre spüren ließ. Doch je weiter das Werk voranschritt, umso mehr schienen auch die beiden Herren hier zusammenzuwachsen.
Gerade Lang Lang übte sich dabei immer wieder im Spiel mit den Kontrasten, was vor allem in der nuancenreichen und vor Selbstbewusstsein strotzenden Solokadenz zum Tragen kam. Während das von beiden breit gedehnte und bis in die letzte Note hinein genussvoll zelebrierte Largo in erster Linie durch den sanften Anschlag des Pianisten seine Wirkung entfaltete, wodurch der folgende Finalsatz umso wuchtiger hereinbrach.
Darauf als Zugabe den „Mary Poppins“-Ohrwurm „Feed the Birds“ nachzulegen und dem Beethoven-Rundumschlag so zumindest einen kurzen Crossover-Kontrast beizumischen – das muss man sich erst einmal trauen. Aber Lang Lang lieferte auch seine virtuose Variation über diesen Disney-Klassiker so nonchalant, dass im Publikum definitiv keine skeptisch hochschnellenden Augenbrauen zu befürchten waren.