Nachdem er bereits als Schauspieler und Drehbuchautor („Freier Fall“) erfolgreich war, wagte sich Karsten Dahlem mit „Die Geschichte einer Familie“ jetzt an sein Debüt als Regisseur – ebenfalls wieder mit großem Erfolg. Denn auch in dieser sensiblen, bis in Details genauen Inszenierung beweist Dahlem ein gutes Gespür für die feinen Haarrisse im Leben einer Familie, aus denen mit ein wenig Druck tiefe Brüche entstehen.
Eine auf den ersten Blick nur rein physische Versehrtheit bringt die erfolgreiche Stuntfahrerin Chrissi (Anna Maria Mühe) nach einem Unfall zurück in ihr Heimatdorf. Unfreiwillig. Im Rollstuhl. Für nicht absehbare Zeit ist sie auf fremde Hilfe angewiesen. Ausgerechnet bei ihrem alkoholabhängigen Vater Werner (Michael Wittenborn) quartiert man die Pflegebedürftige ein. Der einst so zupackende, humorvolle Papa, Polizist und Oberhaupt einer vierköpfigen Familie, suhlt sich seit Jahren in Dreck und Selbstmitleid. Die Anwesenheit der mit ihren eigenen Dämonen kämpfenden Tochter sorgt da nicht für ein freudiges Willkommen.
Zug um Zug und wohl- durchdacht wie beim Schachspielen enthüllt Dahlem in „Die Geschichte einer Familie“, welche Tragödien sich im Einzelnen hinter der bröckelnden bürgerlichen Fassade verstecken. In Rückblenden wird erst allmählich das ganze Ausmaß an Schicksalsschlägen deutlich. Ohne übertrieben zu wirken, nur in knappen Andeutungen skizziert der Regisseur eine moderne Tragödie von biblischer Wucht. Dabei drückt er angenehm wenig auf die Tränendrüse; allenfalls die Musik drängt manchmal etwas zu stark in den Vordergrund.
Die Kameraarbeit von Martin Farkas ist großartig in ihrer konsequenten Zurückhaltung. Auch die oft trotz aller Tragik überraschend humorvollen Dialoge tippen die Emotionen meistens nur leicht an. Der Rest bleibt vielfach unerzählt, die Interpretation mancher Szene wird dem Zuschauer überlassen.
Die unaufgeregte Inszenierung Dahlems funktioniert auch deswegen so gut, weil er sich zu Recht vollkommen auf sein starkes Schauspielensemble verlassen kann. Allen voran Anna Maria Mühe, die für ihre Leistung morgen mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet wird (wir berichteten), ist dank ihrer intensiven, bewegenden Darstellung Dreh- und Angelpunkt des Films. Der ohnehin immer wunderbare Michael Wittenborn erweist sich als kluger, verlässlicher Partner für Mühe. Er bringt die ergreifende Zerrissenheit ihrer Figur mit wenigen Spitzen erst richtig an die Oberfläche. Sie verleiht seiner sich im Suff verlierenden Rolle die Kraft, wieder eine Zukunft für sich zu sehen.