Altes Stück, neu gedacht

von Redaktion

Das Ensemble des diesjährigen „Jedermann“ präsentierte sich über den Dächern von Salzburg

VON TOBIAS HELL

Dass der Sommer vor der Tür steht, merkt man in Salzburg nicht nur an den langen Schlangen, die sich auch hier vor den Cafés und Eisdielen entlang der Salzach bilden. Ein untrügliches Zeichen sind vor allem die schwarz gewandeten Herren, die auf dem Domplatz eifrig damit beschäftigt sind, die Tribüne für den „Jedermann“ aufzubauen. Das diesjährige Ensemble des Kultstücks der Festspiele stellte sich nun zu Probenbeginn erstmals persönlich vor.

Für Regisseur Michael Sturminger ist es bereits das dritte Mal in Folge, dass er Hugo von Hofmannsthals Spiel vom Sterben des reichen Mannes hier auf die Bühne bringt und es dabei – so sein Versprechen – mit einer neuen Truppe noch einmal komplett neu denken will. „Es bleibt kein Stein auf dem anderen!“ Wie Sturminger haben auch einige seiner Darstellerinnen und Darsteller schon Salzburger „Jedermann“-Erfahrungen gesammelt – dies jedoch fast durchweg in anderen Rollen. So kehrt etwa Nicole Heesters, die 1973 die Buhlschaft verkörperte, nun als Jedermanns Mutter an die Salzach zurück. Was der neue Hauptdarsteller Michael Maertens dazu nutzte, sie über einen seiner berühmten Vorgänger auszuhorchen. „Ich hab sie natürlich gefragt, wie denn Curd Jürgens so war. Und sie hat nur gemeint: ,Michi, der war so schön! Alle wollten ihn anfassen.‘ Während mich bis jetzt auf der Probe noch niemand anfassen wollte.“

Die prominente Ahnengalerie seiner Rolle betrachtet Maertens sehr wohl mit Respekt, aber auch mit gesundem Selbstbewusstsein. „Sie spuken alle in mir rum. Da gab es viele spektakuläre Schauspieler, die ich sehr gern habe. Ofczarek, Eidinger, Brandauer, Voss, Tukur. Sie alle schwirren an mir vorbei. Aber ich versuche, das auf meine Art zu machen, und gucke mir nichts ab. Wenn, dann nur heimlich.“

Als Herausforderung betrachtet auch Valerie Pachner ihr Debüt auf dem Domplatz. „Natürlich hatte ich großen Respekt, nach mehreren Filmprojekten wieder auf einer Bühne zu stehen. Aber es hat sich schnell normal angefühlt. Weil ich hier nicht nur mit großartigen Schauspielern arbeite, sondern vor allem mit unglaublich netten Menschen.“ Das einstige Ensemblemitglied des Münchner Residenztheaters verkörpert nicht nur die Buhlschaft, sondern schlüpft pikanterweise ebenso in die Rolle des Todes, der in den romanischen Sprachen aber eh von Natur aus weiblich ist. „Darüber haben wir jeden Tag wieder neue Gespräche. Mit den Kollegen, mit unserer Dramaturgin und auch mit der Kostümabteilung. Einfach, weil sich in diesen Rollen so viele Frauenfragen bündeln. Da will man alles richtig machen und alles beantworten.“ So viele Themen, die sich an einem Theaterabend wohl nicht alle klären lassen; ebenso wie die Frage, warum man sich bei einer weiblichen Besetzung auf einmal mehr Gedanken über gewisse Dinge macht. „Da kommt dann schnell der Punkt, an dem man wieder frei wird, um sich mit den Figuren selbst und den Gegensätzen zu beschäftigen.“

Aspekte, die Sarah Viktoria Frick auch durch den Kopf schwirren, die als Gott und Teufel ebenfalls zwei konträre Figuren verkörpert. Doch da just zu ihrer Vorstellung Orgelklänge aus der benachbarten Kollegienkirche herübertönten, darf man sich des Beistands von oben wohl gewiss sein.

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