„Das Lebenswerk eines Nonkonformisten“

von Redaktion

Die Pinakothek der Moderne würdigt ihren großherzigen Mäzen Hartwig Garnerus

VON SIMONE DATTENBERGER

Großherzigkeit war immer eine hervorstechende Eigenschaft von Hartwig Garnerus, der am 17. Dezember seinen 80. Geburtstag feiert. Der Kunsthistoriker, der die Sammlung Theo Wormlands betreute und später die gleichnamige Stiftung leitete, ist seit 40 Jahren mit den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen verbunden: als eben großherziger Mäzen. Nun ehren sie den in Grünwald Lebenden (Foto: Franziska Pietsch) mit der exzellent inszenierten Ausstellung „Schön und verletzlich. Menschenbilder der Sammlung Garnerus“ in der Pinakothek der Moderne (PDM) – die es übrigens ohne seinen zähen Elan wahrscheinlich nicht gäbe. Aber der Großzügige, dem so mancher sündteure Ankauf, so manche Forschungsstelle, so mancher Katalog zu verdanken ist, lässt sich nicht an Großherzigkeit übertreffen: Er kündigte bei Pressevorbesichtigung und Eröffnung an, „meine Sammlung den Staatsgemäldesammlungen zu Lebzeiten zu schenken oder schließlich durch Vermächtnis zukommen zu lassen“.

Dass Großherzigkeit – mit Akzent auf „Herz“ – ebenfalls das Stichwort ist für die 40-jährige Sammlertätigkeit, beweist die Schau. Sie hat Oliver Kase, Chef der Klassischen Moderne in der PDM, zugleich zu einem überzeugenden und berührenden Porträt von Garnerus geformt. Bernhard Maaz, Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, stellt denn auch fest, dass die Exposition die „Bilanz einer Lebensleistung, das Lebenswerk eines Nonkonformisten“ sei.

In der Tat hat sich Garnerus beim Erwerb von Kunst nicht auf die sichere Seite begeben. Er hat nach „Vergessenen“, wie er sagt, Ausschau gehalten und sie strategisch klug „gepusht“. So rückten ein Helmut Kolle, Karl Hofer, eine Emy Roeder und ein Carl Lohse wieder ins Licht der Aufmerksamkeit. Künstlerinnen und Künstler der Zwischenkriegszeit, aus allen Gewissheiten gestürzt, dennoch tapfer Grund unter den Füßen suchend. Und das bedeutete, dass sie sich ganz dem Menschen zuwendeten: mit Wärme, Unvoreingenommenheit, Genauigkeit und Offenheit, eben großherzig.

Kase hat, um die Sonderstellung der Präsentation hervorzuheben, die Säle in Nachtblau streichen lassen. Davon heben sich die Gemälde wie Juwelen ab. Bild und Skulptur sind raffiniert zusammengestellt genauso wie Gemäldegruppen. Auf Chronologie wird keinen Wert gelegt, eher auf Motive, Stimmungen, Autorenschaft. Die Räume sind luftig bestückt und ermöglichen wunderbare Durchblicke. So lockt Hofers „Junge mit Ball“ (um 1927) in die Tiefe der Ausstellung. Der ernste, magere Bub mit dem blassen, nackten Oberkörper, der zu weiten, notdürftig gebundenen Hose und mit einem mächtigen Medizinball ist in leichter Drehung erfasst. Er wendet sich dem Spiel zu, das wir ahnen; Hofer belässt ihn indes in Einsamkeit.

Die Vereinzelung ist das zentrale Merkmal des künstlerischen Ausdrucks ob bei Hofer oder Kolle, bei Rudolf Levy oder Lohse, ob bei Walter Ophey oder Curt Echtermeyer. Das signalisiert Respekt vor dem Individuum, ist freilich auch eine soziale, psychologische Aussage. Selbst wenn die Farben wie bei Ophey wild aufflammen, bleibt doch die Melancholie.

Immer wieder entstehen magische Momente; etwa wenn in der Reihe der Bronze-/Steinköpfe von Marg Moll, Lothar Otto, William Wauer, Gerhard Marcks, Georg Kolbe und Toni Stadler ein Gemälde zur Skulptur wird. Otto von Rees modelliert gewissermaßen (1911). Eine Frau zieht in schwingenden kubischen Formen kokett ihre rechte Schulter vor, während der augenlose Blick sofort jegliche Erotik tilgt. Am fulminantesten erzählt die Helmut-Kolle-Wand vom Alleinsein. Es sind Männer vom Boxer und Torero über den Läufer bis zum Zeitungsleser, die trotz all ihrer körperlichen Trainiertheit hilflos und verletzlich wirken.

Bis 24. September,

Di.-So. 10-18 Uhr, Do. bis 20 Uhr; Telefon 089/23 80 53 60.

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