Auf dem Gipfel

von Redaktion

KÖNIGSPLATZ 2 Hubert von Goisern spielt für Herz und Hirn

VON MICHAEL SCHLEICHER

Freilich, er ist ein Teufelskerl und reißt selbst das sonst ach so disziplinierte Münchner Publikum von den Klappstühlen. Nach 90 Minuten sitzt an diesem Freitagabend niemand mehr, und so wird das auch bleiben bis kurz vor 23 Uhr, als sich Hubert von Goisern und seine wunderbar aufgelegte und großartig eingespielte Band unter heftigem Jubel der 8000 Menschen verabschieden.

Um keine Irritationen aufkommen zu lassen: Es ist sinnvoll, dass dieser größte Auftritt der aktuellen Tour des Österreichers bestuhlt ist. Denn der Musiker, 1952 als Hubert Achleitner in Goisern geboren, spielt für Herz und Hirn; die Musik ist also absolut tanzbar, die Texte sind unbedingt (zu-)hörenswert. „Setzt di her zu mir, egal wer du a bist“, heißt es zur Eröffnung in „A Tag wie heut“. Das ist ein Appell für Toleranz – und zugleich ein musikalisches Credo: Hubert von Goisern ist offen für viele Stile, die er in seine Kunst integriert und die er interpretiert. Auf dem Königsplatz ist das ein besonderes Erlebnis, auch weil es der Technik gelingt, die Stücke unter den – obwohl es oft windstill ist – niemals einfachen Bedingungen eines Freiluftkonzerts fantastisch abzumischen. Da ist das feine Klingen der Triangel so klar zu hören, wie der Beat fett ist, der bei „El Ektro“, dem zweiten Song des Abends, als satte Groove-Welle übers Areal wogt.

Gespielt werden – vor dem Ausflug in den Werkkatalog mit zig Klassikern – fast alle Titel des aktuellen Albums „Zeiten & Zeichen“; darunter der gut gelaunte, mit lockerer Zunge interpretierte Reim-Spaß „Eiweiß“ sowie das politisch starke „Brauner Reiter“, bei dem Severin Trogbacher die Dead Notes wuchtig schrubbt. Nicht nur mit seinem Gitarristen hat Hubert von Goisern einen so fabelhaften wie künstlerisch facettenreichen Musiker mitgebracht. Stellvertretend seien zudem Schlagzeuger Alexander Pohn genannt, der das Programm erdet, zusammenhält, vorwärtstreibt, und die Multiinstrumentalistin Maria Moling, die vor allem am Vibrafon beeindruckt.

Der 70-Jährige selbst spielt eh längst in seiner eigenen Liga, ist glänzend aufgelegt und in Plauderlaune – wenn Sie ihn mal treffen, lassen Sie sich unbedingt erzählen, wie er Andreas Schager in Bayreuth kennenlernte. Gemeinsam mit dem Wagner-Tenor hat er „Freunde“ aufgenommen, eine Verneigung vor dem Librettisten Bedrich Löwy, der viel mit Franz Lehár gearbeitet hat, der ihn jedoch nicht vor der Ermordung in Auschwitz 1942 retten konnte/wollte. Obwohl Schagers Gesang nur zugespielt wird („Des können wir uns nicht leisten, dass wir mit dem auf Tour gehen“), ist diese so berührende wie von Zerrissenheit erzählende Nummer ein erster Höhepunkt des Abends; Standing Ovations.

Als das zweite Lied gerade verklungen ist, ruft ein Mann von ganz hinten quer über den Königsplatz in Richtung Bühne: „Ihr seid die Besten!“ Hubert von Goisern kommentiert trocken: „Wos soll i do sogn?“ Eben!

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