Ihre Hochphasen hatte die Operette von jeher in unsicheren Zeiten – sei es die Wirtschaftskrise in den 1920ern oder die Aufbauphase der 1950er, als sich die Menschen nach Jahren voller Krieg und Zerstörung eine heile Welt herbeisehnten. Gefühle, die sich angesichts aktueller Nachrichten nur zu leicht nachvollziehen lassen. Dies mag vielleicht auch Intendant Ludwig Baumann bewogen haben, dem Publikum des Opernfestivals auf Gut Immling nach dem mutigen Auftakt mit der „Salome“ (wir berichteten) nun als zweite Premiere mit „Land des Lächelns“ von Franz Lehár ein Stück Wohlfühltheater zu gönnen. So stellen es sich wohl die meisten Premierengäste vor, die bereits im Shuttlebus die Hits in gespannter Vorfreude summen.
Eine Inszenierung, ganz konzentriert auf die tragische Liebe zwischen der österreichischen Gräfin Lisa und dem chinesischen Prinzen Sou-Chong, deren Welten am Ende eben doch zu verschieden sind: Fernab aller Diskussionen über exotische Klischees oder kulturelle Aneignung, ohne die das Musiktheater-Repertoire ein deutlich ärmeres wäre. Und irgendwie ist es auch ein bisserl herzig, dass das walzerselige Wien, das Regisseur Urs Häberli im ersten Akt mit viel k.-u-k.-Nostalgie auf die Bühne stellt, am Ende des Tages von unserer heutigen Welt ähnlich entrückt erscheint, wie Lehárs verklärter Blick auf das Reich der Mitte. Sein China aus dem Märchenbuch wird in Immling durch Fächertänze, Papierdrachen und geschwungene Pagodendächer heraufbeschworen, während man die wahre Herkunft des multinationalen Chores mit breiten Strohhüten kaschiert.
Den Rest erledigt die vor Ohrwürmern überquellende Partitur, die bei Dirigentin Cornelia von Kerssenbrock bestens aufgehoben ist. Angesiedelt zwischen Puccini und Wiener Heurigem, weiß sie, die Erfahrung ihres Orchesters im italienischen Fach klug zu nutzen, wenn Michael Ha als Sou-Chong einen Tenor-Schlager nach dem nächsten abfeiern darf. Gleichzeitig hat Kerssenbrock aber auch die lockere Hand für die humorvollen Momente des Buffo-Paares. Und wie nicht anders zu erwarten, rangiert Gezim Berisha, der als Leutnant Gustl mit elegant geführtem Bariton und sicherem komödiantischem Timing punktet, ähnlich hoch in der Publikumsgunst wie Carina Schmieger als Prinzessin Mi. Mit jugendlich frischem Soubrettenton bildet sie das perfekte Gegenstück zum farbenreichen Sopran von Elvira Hasanagic, der die ideale Balance zwischen leichter und schwerer Muse gelingt. Dadurch erscheint Lisas anfänglich noch naive Schwärmerei für Sou-Chong ebenso authentisch, wie die bittere Selbsterkenntnis nach dem Zerbrechen ihrer Beziehung.
Deutlich kühler wirkt daneben der hin und wieder mit den Dialogen kämpfende Ha, was aber durchaus zur Rolle passt. Stimmlich geht er von Anfang an in die Vollen. Er ist sich der Erwartungen sehr wohl bewusst, die das Publikum angesichts zahlreicher bekannter Vorgänger gerade an seine Arien hat.
Dies hat zur Folge, dass er bei der Premiere manchmal vielleicht etwas zu viel beweisen will und sich die Stimme unter Druck in der Höhe leicht verhärtet. Spätestens beim glutvollen „Dein ist mein ganzes Herz“, dessen melancholische Reprise noch einmal butterweich ins Ohr geht, ist auch dies vergessen und das Operettenglück perfekt.
Weitere Vorstellungen
am 25. Juni sowie am 2., 8., 15., 27. Juli und am 5. August; www.muenchenticket.de.
Die Inszenierung bringt viel Nostalgie auf die Bühne
„Dein ist mein ganzes Herz“ geht butterweich ins Ohr