Für Michael Ende war die „Unendliche Geschichte“ einer seiner größten Erfolge, aber auch eine Art Schmerzenskind. Denn die berühmte Verfilmung, bei der sich Regisseur Wolfgang Petersen 1984 zahlreiche Freiheiten gönnte, stieß beim Autor nur auf wenig Gegenliebe. Was dazu führte, dass Ende sich später von dem Projekt ebenso distanzierte wie von den vollkommen auf eigenen Pfaden wandelnden Fortsetzungen, die mit seinem Roman allenfalls den Titel teilen.
„Zurück zum Original“ lautet daher die Devise am Deutschen Theater München, wo das Ensemble des Salzburger Landestheaters in dieser Woche mit seiner Version des Stoffes gastiert. Dafür wurde das Buch durch John von Düffel neu adaptiert; es ist die einzige von Endes Erben autorisierte Bühnenfassung.
Der Schatten des Romans, der Generationen von Kindern die Lust am Lesen nahebrachte, ist Regisseur Carl Philip von Maldeghem sehr bewusst – ebenso wie das Erbe des teilweise in München gedrehten Films, dessen Requisiten in der Bavaria Filmstadt nach wie vor zu den Höhepunkten der Führungen zählen. „Auf den Proben gab es immer wieder Flashbacks. Wie viele andere habe auch ich das Buch als Kind richtig aufgesogen, hatte es aber seither nicht mehr gelesen und auch den Film nie gesehen“, sagt Maldeghem im Gespräch mit unserer Zeitung. Da half es dem Salzburger Intendanten, mit einem frischen Blick an die Produktion heranzugehen, mit der er das Publikum auf eine große fantastische Abenteuerreise einladen will, die jedoch nicht mit Buch oder Film konkurrieren soll.
Eine Art Referenz war für Maldeghem die aktuell in Hamburg erfolgreiche Bühnenfortsetzung der „Harry Potter“-Reihe, wo man in erster Linie ebenfalls mit guten alten Theatertricks arbeitet. Und wie bei J. K. Rowlings Zauberlehrling, handelt es sich auch bei seiner „Unendlichen Geschichte“ nicht um ein Musical, sondern um ein Schauspiel mit Musik, zu dem Salzburgs Hauskomponistin Katrin Schweiger einen neuen Soundtrack beisteuerte. „Der Kunstgriff ist bei uns, dass Bastian nicht in einen Buchladen kommt, sondern auf der Flucht vor seinen Verfolgern in ein Theater läuft, wo ihm der Souffleur dieses Buch überreicht. Und sobald er das Buch aufschlägt, öffnet sich eine ganz eigene Theaterwelt.“
Der erste Teil des gut zweistündigen Abends konzentriert sich auf das Abenteuer Atrejus, des jungen Kriegers aus Phantásien, während nach der Pause Bastians im Film unterschlagene Erlebnisse in jener Zauberwelt aufgearbeitet werden. „Das ist eine wunderschöne Coming-of-Age-Geschichte, die sich mit der Verführbarkeit des Menschen beschäftigt. Eine Art Roadmovie, bei dem man von einem Ort zum anderen geworfen wird. Das ist eine echte Mammutaufgabe. Mein Ausstatter Christian Floeren und ich haben gemeinsam ‚Faust 1‘ und ‚Faust 2‘ gemacht, was uns im Vergleich hierzu leichter vorkam, weil sich bei der ‚Unendlichen Geschichte‘ wirklich alle fünf Minuten eine neue Welt auftut.“ Dabei half die von John von Düffel erdachte Spielsituation als Theater auf dem Theater, um das Publikum einzuladen, gedanklich gewisse Lücken selbst zu füllen. Ein weiterer wichtiger Partner war der Puppenspieler Richard Panzenböck, der zu Probenbeginn mit dem Ensemble erst einmal einen mehrtägigen Workshop abhielt, um es mit den unterschiedlichen Formen des Figurenspiels vertraut zu machen, die in der Produktion zum Einsatz kommen. „Atreju und der Drache werden natürlich auch bei uns fliegen. Aber man erkennt noch, dass es Theater ist. Gewissermaßen ein Plädoyer an die Kraft der Fantasie.“
Münchner Vorstellungen
vom 21. bis 25. Juni; Karten online unter tickets.deutsches- theater.de.