Die Kunst der Gleichberechtigung

von Redaktion

Zeichnerin Lisa Frühbeis und ihr „Zeitraum“

VON MICHAEL SCHLEICHER

Einfach mal die Pause-Taste drücken – früher beim Kassetten-Rekorder oder auch später beim CD-Player war das kein Problem. Selbst das Smartphone lässt sich mit einem Fingertippen einfach stoppen. Doch eine Auszeit für den und vom Alltag? Puh! Da ist’s leichter, das Space Shuttle zu landen. Zumal für Frauen. Denn auf denen, das bemerkte unlängst die österreichische Künstlerin Valie Export im Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“, laste „heute nicht bloß der Druck, die Hausarbeit zu erledigen, sondern zusätzlich wird nun eine ambitionierte Karriere erwartet“.

Ein Umstand, der die 83-Jährige auf „Wutwanderungen“ treibt. Und ein Fakt, der auch das Leben der Protagonistin in Lisa Frühbeis’ neuem Comic dominiert. Die Zeichnerin, 1987 in München geboren und heute in Augsburg zu Hause, erzählt in „Der Zeitraum“ von einer jungen alleinerziehenden Mutter, die ihren beiden Kindern unbedingt gerecht werden will – diesen Anspruch aber auch an die Musik hat, ihre Profession und Leidenschaft. Freilich braucht sie ihren Beruf als Komponistin zudem, um die Familie zu ernähren.

Ein Dilemma, das viele Menschen kennen. Ein Kreislauf, bei dem es meist einen der Beteiligten derb aus der Kurve schmeißt. Und eine Tatsache, von der Frühbeis mit trockenem Humor und niemals larmoyant erzählt. Das Bewusstsein um diesen Konflikt stand bei ihr am Beginn des kreativen Prozesses: „In einer Zeit, in der ich stark in Ehrenämter eingebunden war, hatte ich eine Sehnsucht nach Freiheit, gekoppelt an ein schlechtes Gewissen“, berichtet sie im Nachwort zu „Der Zeitraum“.

In ihren naiv anmutenden, doch virtuos mit den vielen Abstufungen von Grau spielenden Zeichnungen zeigt sie ihre namenlose Heldin, die sich mit den Kindern in ein kleines Haus in der Einsamkeit zurückzieht – in der Hoffnung, hier Zeit, Ruhe und Muße zu finden, um ihre Komposition für einen Wettbewerb fertigzustellen. Doch das Leben kommt immer wieder dazwischen: Essen will gekocht, der kleine Sohn beaufsichtigt, die pubertäre Tochter beruhigt werden. Frühbeis schenkt ihrer Hauptfigur eine Pause-Taste: das Tor zu einer farbenfroh schillernden Parallelwelt, die sie ganz für sich hat und in der die Zeit stillzustehen scheint. Ein Traum, oder?

„Der Zeitraum“ ist kurzweilig und überzeugt durch die Bilddramaturgie. Dabei ist sich Frühbeis stets bewusst, dass – egal, wie wir uns entscheiden – Narben kaum zu vermeiden sein werden. Einfache Antworten gibt es nicht. Aber zum Glück Bücher wie dieses, die zeigen, was auf dem Spiel steht.

Lisa Frühbeis:

„Der Zeitraum“. Carlsen, Hamburg, 133 S.; 18 Euro.

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