Ein Feuerwerk zum Finale

von Redaktion

Diana Iljine über das 40. Münchner Filmfest und ihren Abschied als Leiterin

Knapp 4000 Filme hat sie in den vergangenen zwölf Jahren gesehen. Weil es ihr Job war als Chefin des Münchner Filmfests – noch viel mehr aber, weil die Liebe zum Kino (und zum Fernsehen!) ihre Leidenschaft ist. Die wird ihr bleiben, auch wenn Diana Iljine heute zum letzten Mal das Filmfest in München eröffnet. Wie berichtet, hat sich die 58-Jährige entschieden aufzuhören. Wir sprachen mit der gebürtigen Frankfurterin über die Gründe für diesen Entschluss, ihre persönliche Bilanz und die Frage, was sie vermissen wird – oder eben auch nicht.

So kurz vor der Eröffnung Ihres letzten Filmfests – überwiegt die Wehmut oder die Freude über die Entscheidung, dass Sie sich nach den kommenden knapp zwei Wochen verabschieden werden?

Für mich fühlt sich das an wie eine Krönung, jetzt, also nach dem 40. Filmfest – wir feiern in diesem Jahr ja Geburtstag –, zu gehen. Ich habe im vergangenen Oktober den Bayerischen Verdienstorden bekommen, über den ich mich wirklich sehr gefreut habe. Ich habe diesen Moment genossen und die Auszeichnung alsbesondere Ehre empfunden. Ich finde sie auch durchaus verdient,wir leisten hier schon was. Für mich ist es also der richtige Zeitpunkt, auch wenn ich vieles vermissen werde.

Was vor allem?

Insbesondere mein Team. Die Kolleginnen und Kollegen, die ich – hoffentlich – getragen habe. Aber die auch mich getragen haben in all den Jahren.

Warum hören Sie überhaupt auf – noch dazu vorzeitig?

Wer eine Kulturinstitution leitet – und ich habe das zwölf Jahre lang gemacht –, der weiß, dass das schon in die Vollen geht. Ich bin nicht erschöpft oder so, aber es war für mich Zeit, einen Punkt zu setzen. Natürlich haben es auch Corona, der Ukraine-Krieg, dann die Energiekrise der Kultur nicht leichter gemacht. Einmal, weil das Publikum sein Freizeitverhalten geändert hat. Zum anderen, weil natürlich und verständlicherweise die Politik auch mit anderen Themen beschäftigt ist. Da hat es die Kultur manchmal schwer.

Man sagt ja oft: Aufhören, wenn es am schönsten ist. Ist es bei Ihnen andersrum? Also aufhören, wenn es am schwierigsten ist?

Nein, so ist es nicht. Im Hinblick auf unser Programm, was wir in diesem Jahr bieten, ist es absolut ein „Aufhören, wenn es am schönsten ist“. Wir haben ein Feuerwerk zum 40. Geburtstag zusammengestellt – schöner kann es nicht werden. Das habe ich übrigens auch in den vergangenen Jahren immer gesagt. Ich bin vom Filmfest München überzeugt und begeistert. Da ist für jeden etwas dabei. Ich sehe, mit wie viel Liebe die einzelnen Kolleginnen und Kollegen ihre Reihen gestalten. Besser geht es nicht. Deswegen ist es der schönste Zeitpunkt zu gehen. Und er ergibt für mich auch aus Karriere-Sicht Sinn. Um meine berufliche Zukunft mache ich mir jedenfalls keine Sorgen.

Wissen Sie schon, wohin es Sie verschlägt?

Ich werde der Branche sicher nicht den Rücken kehren. Aber jetzt freue ich mich erst mal auf das 40. Filmfest hier in München.

Sie begrüßen unter anderen die Regisseurin Maryam Keshavarz, die mit ihrem Film „The Persian Version“ das Filmfest eröffnet, dann Barbara Sukowa, die den Ehrenpreis erhält, Jessica Hausner widmen Sie eine Retrospektive, Shu Lea Cheang eine Hommage. Alles Frauen – ähnlich wie im vergangenen Jahr, als sie Doris Dörrie und Alba Rohrwacher geehrt haben. Das ist sicher kein Zufall.

Das ist vor allem etwas ganz Tolles. Ich bin sowieso ein Befürworter der Frauenquote, aber das ist es nicht nur. Wir haben in München immer schon nach weiblichen Stimmen im Programm gesucht und sie auch gefunden. Ich würde gar nicht sagen, dass das nur der Fokus von mir als Frau ist. Auch unsere Männer im Team sind sehr emanzipiert.

Ohne die Leistungen der oben Genannten schmälern zu wollen – hätten Sie sich für Ihr Finale einen Hauch von Hollywood in München gewünscht? Sie hatten in der Vergangenheit ja schon Namen wie Michael Caine, Emma Thompson und Sofia Coppola.

Wir waren tatsächlich auch in diesem Jahr an einigen dran. Aber es hat immer auch mit Finanzen zu tun, Stars aus Hollywood zu kriegen. Sie einzufliegen und entsprechend zu betreuen, ist eine sehr schöne, aber auch sehr aufwendige Sache.

Finanzen sind ein gutes Stichwort. Über Ihren letzten Jahren als Chefin schwebte die Söder- Rede von 2018 und seine Forderung, München zum A-Festival zu machen.

Für uns war das damals eine gute Werbung – aber die Geschichte ist für mich inzwischen eine olle Kamelle. Dass es immer wieder aufgebrüht wird, nervt mich sogar ein bisschen. Es war einfach so, dass sich unsere Gesellschafter nicht auf diese damals formulierte Vision einigen konnten. Man kann das auch nicht nur auf Herrn Söder oder die Stadt oder wen auch immer schieben. Das war komplexer. Ich bin es ein bisschen leid, dass Herr Söder dafür immer wieder gebasht wird.

Er hatte damals am lautesten geschrien.

Und der, der am lautesten schreit, muss auch einstecken, das ist klar. Aber er hat für etwas Gutes laut geschrien, es hat uns damals viel Aufmerksamkeit gebracht. Ich hätte auch gern ein anderes Ergebnis gehabt, aber so ist es nun mal.

Sie geben das Filmfest am Ende nun in die Hände von Christoph Gröner, der schon lange dabei ist und auch heuer Ihr Künstlerischer Leiter ist.

Ja, und ich finde diese Kontinuität sehr schön. Für das Team ist das sicher die beste Lösung. Auch weil Christoph Gröner sehr tief in den Filmen drin ist. Ich hoffe, dass er sich das bewahren kann, was sicher schwierig wird, weil man als Chef in der Geschäftsführung einfach noch andere Sachen zu tun hat.

Gibt es etwas, bei dem Sie sagen: Da bin ich froh, dass ich das nach meinem Abschied von der Backe habe?

Das Protokoll ist immer ein Thema. Und das macht kurz vorm Filmfest wirklich überhaupt keinen Spaß mehr, weil zum Beispiel Leute unbedingt zur Eröffnung kommen wollen, die das ganze Jahr über nicht ins Kino gehen. Das ist mühsam streckenweise. Aber auch das kriegen wir hin.

Was würden Sie sagen – was bleibt nach Ihrem Abschied? Hätten Sie eine Überschrift für Ihre zwölf Jahre Filmfest München?

„Wir sind stark“ – das wäre meine Überschrift. Wir als Team sind dafür da, den Kreativen eine Plattform zu bieten. Und mit wie viel Liebe wir das tun, mit wie viel Akribie, das ist einfach stark. Und, was mir auch immer wichtig war: Wir haben sehr treue Zuschauer. Das Filmfest München ist ein Publikums-Fest. Jeder kann hin. Jeder kann sich ein Ticket holen. Sommer, Sonne, München – das möge der ideale Ort für Begegnungen bleiben.

Was machen Sie als Erstes, wenn die letzte Filmminute ausgestrahlt, das letzte Glas geleert wurde?

Dann werde ich erst mal schlafen. Und mit meinem Freund eine Reise machen.

Das Gespräch führte Stefanie Thyssen.

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