Ekstase mit Ansage

von Redaktion

Deichkind lassen die Olympiahalle ausrasten

VON MARC KNIEPKAMP

Als nach knapp zwei Stunden in der Olympiahalle die Lichter angingen und der letzte Bass verklungen war, da musste sich so mancher Besucher des Deichkind-Konzerts erst mal wieder orientieren. „Alle woll’n den Abriss, gefedert und geteert“, heißt es in dem Song „So’ ne Musik“, den Deichkind gleich als zweites Lied spielten – als Türöffner für eine gigantische Party und eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

Nun gut, geteert wurde hier zwar niemand, gefedert aber sehr wohl – und dank genügend verschwitzter Körper im ausverkauften Rund hafteten die Federn auch ohne Teer als Untergrund.

Zwischen der Ankündigung und dem eigentlichen Akt des Federns hatte die Band aus dem hohen Norden einen atemlosen Ritt hingelegt, quer durch die Band-Historie, ohne Scheu vor der großen Geste und immer auf dem kürzesten Weg Richtung Ekstase. Wobei die Bezeichnung „Band“ das, was sich da auf der Bühne tummelt, eigentlich nur unzureichend beschreibt. Hier spielen nicht einfach ein paar Musiker einige ihrer Hip-Hop- und Elektro-Gassenhauer ab, hier oszilliert ein unberechenbares Kollektiv von insgesamt 20 Akteuren zwischen Theater, Kunst und Bierzelt.

Da wäre der Rodeo-Ritt auf einer überdimensionalen Luxus-Handtasche, der Auftritt mit einem riesigen Rucksack, der auch schon bei einer Ausstellung im Haus der Kunst zu sehen war und schwer auf dem MC Kryptik Joe lastet, oder das Bürostuhl-Ballett zum Song „Bück Dich hoch“.

Und so beweisen Deichkind mit ihrer Show ganz nebenbei auch, dass Gesellschaftskritik Spaß machen darf. Später gibt’s dann geradeaus eins auf die Zwölf, etwa wenn die Band zu „Roll das Fass rein“ und „Niveau weshalb warum“ in und auf einem riesigen Fass durch die hüpfende Menge rollt. Oder wenn sich bei dem standesgemäßen Schlussakkord „Remmidemmi“ der gesamte Deichkind-Kostümfundus an den gut 20 Mitwirkenden auf der Bühne wiederfindet, flankiert von einem riesigen, pardon, Scheißhaufen-Emoji und „Leider Geil“-Luftballons. Derweil lässt sich ein Bandmitglied im gigantischen Planschbecken durch die Halle tragen und federt das Publikum. Spätestens da ist klar: Dieser Wahnsinn hat System.

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