Ja, einen Penis sieht man auch. Aber bevor jetzt Zeter und Mordio ausbricht, fix die Erinnerung, dass so ein Penis nun einmal ein (nicht ganz unwichtiger) Teil des männlichen Körpers ist. Und genau damit befasst sich der Künstler Josip Novosel in seiner Werkserie „Josef“: mit Männlichkeit, Sexualität, Rollenbildern, Identität. Er hat „Josef“ in seine Einzelteile zerlegt: Auf 17 unterschiedlich großen Leinwänden bildet er verschiedene anatomische Bereiche ab. Unübersehbar hat Novosel an der Akademie der bildenden Künste Wien neben Bildhauerei auch Fotografie studiert. Einer Kamera gleich zoomt er jetzt mit malerischen Mitteln heran an Auge, Brustwarzen, Mund. Und eben: Schambereich.
Das Interessante an dieser raumgreifenden Arbeit, die in der Münchner Galerie von Paulina Caspari hängt, ist, wie sich der eigene Blick verändert. Würde man einen Halbakt gesamt betrachten, der einem von der Leinwand aus entgegenschaut, fühlte man sich wie ein Voyeur. Dadurch, dass der Körper aufgeteilt ist, glotzt sich’s viel ungenierter. Zum Beispiel auf das Bild mit der Lederhose, samt verdächtiger Ausbeulungen im Schrittbereich. Muss einem keine Angst machen. Macht’s manch einem trotzdem. Daraus entsteht dann mitunter Hass wie neulich in München. Als etliche gegen die Lesung eines Drag-Künstlers für Kinder demonstrierten.
Josip Novosel, selbst homosexuell, nimmt verbale Kritik wegen seiner Sexualität gelassen. „Diejenigen, die sich am lautetesten gegen die queere Szene positionieren, trifft man dann ja eh alle nachts im Englischen Garten“, meint er und grinst. Will heißen: Vom Dunkel der Nacht geschützt, wird sich heimlich sexuellen Neigungen hingegeben, die man im grellen Licht des Tages anderen lautstark vorwirft. Wird unter der Gürtellinie gewissermaßen nicht nur verbal weitergemacht. Ist natürlich zugespitzt formuliert, aber der Begriff „Homophobie“ hat psychologisch seine Berechtigung – homo: gleich, phobos: Furcht. „Jeder hat ein bisschen Sex verdient. Wenn jemand nicht ausleben kann, was er sich wünscht, tut mir das schon leid“, sagt Novosel.
Galeristin Paulina Caspari hat den Ausstellungsbeginn also perfekt gewählt. Wenn an diesem Samstag die Regenbogenflaggen in der Stadt flattern, der Christopher Street Day gefeiert wird, können alle, denen das zu laut ist, hier bei ihr im Stillen einmal furchtlos hinschauen. Können gucken, wie viel Sanftheit in Männern steckt. Abseits aller Schönheitsideale. Die interessieren Novosel, der in Bayern aufgewachsen ist und inzwischen in Berlin lebt, nicht. „Viele homosexuelle Männer wollen sich so aalglatt und schön wie möglich formen, damit alles an ihnen abprallt, jede Form von Hass. Mir gefällt es, Menschen zu zeigen, die sich in ihrem Körper wohlfühlen, mit ihrer Sexualität im Reinen sind.“
Wie sein „Josef“. Auf einem Bild sieht man seine weiße Unterhose, so weit hinabgezogen, dass der Inhalt, nun, unübersehbar ist. „Ich wollte nicht zu explizit werden, den Penis nicht ausstellen. Mir gefällt besser die Andeutung.“ Mit dem weißen Schlüpfer ist er kunstgeschichtlich in bester Gesellschaft. Picasso hat sich auf Fotos gern darin präsentiert, Martin Kippenberger in seinem Werk damit gespielt. Weiß, unbefleckt. Unschuldig. So wie Sexualität sein sollte. Keine Angst.
Bis 11. August
Galerie Paulina Caspari, Augustenstraße 33a. Infos: paulinacaspari.com.