Ein Geschenk

von Redaktion

Das Lenbachhaus rollt Sammler Jörg Johnen den Teppich aus

VON SIMONE DATTENBERGER

Richtig viel Humor, ungezähmte Lust am Ausprobieren und einen so humanen wie klugen Zugriff auf die Kunst unserer Tage strahlt die Sammlung Jörg Johnen aus. Anlässlich seiner 64 Donationen rollt ihm die Städtische Galerie mit der Ausstellung „Fragment of an Infinite Discourse. Gegenwartskunst aus dem Lenbachhaus, die Schenkung Jörg Johnen und die KiCo Stiftung“ den roten Teppich aus. Kuratorin Eva Huttenlauch und Direktor Matthias Mühling haben die Abteilung Kunst seit 1945/Gegenwartskunst freigeräumt und aus den genannten Quellen neu gestaltet. Große Namen sind dabei – aber wenige. Bestsellerlisten hatte der gebürtige Ulmer Johnen (Jahrgang 1948) nie abgearbeitet, und das freut das Lenbachhaus. Sein wie alle anderen will man nicht.

Deswegen macht Kulturreferent Anton Biebl bei der Vorbesichtigung seine Aufwartung, genießt die Geschenke und dass die Sammlung des Lenbachhauses „nachhaltig“ entwickelt wird. Mühling weist darauf hin, dass man froh sei, für Erwerbungen nicht immer auf Steuergelder – die bekommen die Museen ohnehin in homöopathischen Dosen – zugreifen zu müssen. Ihn begeistert nicht nur, dass hier ein Publizist und Galerist (Köln, Berlin) kunsthistorisch versiert und mit eigenem Kopf zum Beispiel auch Werke aus dem Ostblock gekauft hat, sondern dass seine Schenkung sogar „bedingungslos“ ist. Will heißen, die Museumsleute können damit richtig gut arbeiten. Das haben sie gleich mit der Schau „Fragment eines unendlichen Gesprächs“ bewiesen.

Das titelgebende Kunstwerk von Mario García Torres ist eine luftige Skulptur dreier umeinander schwebender und einander nicht berührender Glasringe. Sie gehört in den Auftakt-Raum des Rundgangs. Aber vorher kommt doch noch die erste Gaudi. Auf der Galerie gibt es ein Porträt des Sammlers beim Schnitzelessen von Ryan Gander: hübsche Farbflecken auf einer runden Glasscheibe. Kunstironisch zeigt sich ebenfalls Karin Sander mit ihren „Mail-Paintings“. Sie verschickt per Post weiße Leinwände, und beim Empfänger kommt sicher nichts Weißes mehr an.

Nach einem „richtigen“ Johnen-Bildnis von Florian Süssmayr betritt man als Kontrastprogramm den erwähnten ätherischen Raum. Sander erweist sich plötzlich als perfekte Minimalistin, indem sie eine ein Zehntel dünne Wandfarbenschicht abschleifen lässt, bis eine unwirklich schimmernde Fläche im üblichen Gemäldeformat entstanden ist. Prabhavathi Meppayil und Giorgio Griffa spüren hauchfeinen Linien in Weiß nach; sie mit Kupfereinlagen, er mit Tinte. Aber keine Sorge, Total-Meditation wird nicht verlangt. Das Wechselspiel funktioniert durch die ganze Ausstellung hindurch.

Es gibt Plastiken und Gemälde, Realistisches und Ungegenständliches; es gibt wilde Keramik; es gibt Textiles, das aus den entsprechenden Materialien ist, und solches, das aus Glas besteht. Es gibt eine schlitzohrige Art von Design wie Tapete, Spiegel-Halbkugeln als Decken-Zier, riesige Kuschelfiguren. Es gibt zwei Performances; besonders liebenswert die von Roman Ondak: Mama mit Baby, das gerade Laufen lernt (bis 27. August sonntags am Nachmittag). Es gibt dokumentarische Fotografien von Helga Paris und Barbara Klemm sowie einen Dokumentarfilm von Anri Sala, wie seine Oma „Byrek“ (Blätterteig aus Albanien) herstellt. Wunderbar verschmitzt empfängt am Ende des Rundgangs Rosa Barba die Besucherinnen und Besucher mit einer Hommage an den Film: ans gute alte Zelluloid, den guten alten Ratterkasten zum Abspielen.

Den großen Saal hat das Lenbachhaus dem verstorbenen Vielseitigkeitskünstler Rodney Graham (1949-2022) fast zu Gänze gewidmet (inklusive einiger Plätze im Altbau). Er wirbelt uns durch stille Konzeptkunst mit Verweisen auf Bibelstellen, verspottet kitschträchtig die Vermarktung der Abstraktion à la Kandinsky und Miró, vervierfacht sich selbst als Pianist und stellt eine Kiefer auf den Wipfel, je per Foto.

Dauerausstellung

Di.-So. 10-18 Uhr; Telefon: 089/233 969 33.

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