Die Opernfestspiele auf Gut Immling zeigen sich aktuell so experimentierfreudig wie lange nicht mehr. Aber nach dem gelungenen Auftakt mit der „Salome“ und einem Ausflug zur Operette (wir berichteten), besann man sich bei der dritten Premiere des Sommers nun doch wieder auf die Kernkompetenz. Und dazu gehört natürlich vor allem Giuseppe Verdi, dessen „Nabucco“ das Premierenpublikum nicht erst nach dem berühmten Gefangenenchor in Euphorie versetzte.
Regisseurin Ini Gerath zeigt die biblische Geschichte, deren patriotische Untertöne Verdi einst zum Durchbruch verhalfen, als zeitlose Parabel gegen Krieg und Unterdrückung – historisch und geografisch bewusst im Unklaren verortet, aber mit einer scharfen Trennlinie zwischen den privaten und den politisch aufgeladenen Momenten. Das sorgt in Verbindung mit den von Maximilian Ulrich gestalteten Video-Projektionen einerseits immer wieder für eindrucksvolle Bilder, lässt die Sache andererseits zuweilen aber leider auch ein wenig beliebig wirken. Etwa wenn man nach „Stolpersteinen“ und KZ-Torbögen sowie einem Zwischenstopp auf Flüchtlingsbooten im Mittelmeer und Friedensdemos in Blau-Gelb plötzlich bei den bunten Sturmhauben von „Pussy Riot“ landet, ehe der bekehrte babylonische König den UN-Vorsitz übernimmt.
Der Fokus, der hier manchmal fehlt, findet sich zum Glück umso stärker in den Solo-Arien und Duett-Szenen. Wobei vor allem die Auseinandersetzungen zwischen Nabucco und seiner auf den Thron schielenden Tochter Abigaille vor Spannung beben. Die dänische Sopranistin Trine Møller, die in Immling zuletzt als Puccinis Turandot brillierte, liefert auch in dieser gefürchteten Partie erneut eine absolut glanzvolle Darbietung, die keine Wünsche offenlässt: mit metallisch gleißenden Spitzentönen, die jedes Ensemble mühelos überstrahlen. Aber ebenso mit warmer Mittellage, die in der berührenden Selbstbeichte vor ihrem Spiegelbild zum Tragen kommt, wo Verdis Wurzeln im Belcanto hörbar werden.
Als ganz und gar brutalen Machtmenschen zeigt Mamuka Lomidze dagegen den Titelhelden. Seinem aus Granit gemeißelten Bariton trotz er in der großen Arie „Dio di Giuda“ dann aber doch noch lyrischere Töne ab, um den Wandel Nabuccos glaubwürdig nachzuzeichnen. Geballte georgische Bass-Power kommt von Giorgi Chelidze, der als Priester Zaccaria den Abend machtvoll eröffnet und mit dennoch stets weich geführter Stimme das Publikum unmittelbar in Bann schlägt. Weniger Gelegenheit sich zu profilieren hat Verdi dem jungen Liebespaar Fenena und Ismaele gegönnt. Diese kurzen Momente wissen Nutsa Zakaidze und Leonardo Sánchez jedoch zu ihren Gunsten zu nutzen und runden damit das Ensemble homogen ab.
Der eigentliche Protagonist des „Nabucco“ bleibt am Ende aber eh der Chor. Das versklavte Volk Israel, dessen großem Auftritt das Publikum natürlich gespannt entgegenfiebert. Und das berühmte „Va, pensiero, sull’ali dorate“ enttäuscht auch in Immling nicht. Es beginnt als sanftes Flüstern, ehe die patriotische Botschaft sich voller Inbrunst entlädt. Klug aufgebaut von Dirigent Evan-Alexis Christ, der schon beim ersten Auftauchen des Motivs in der Ouvertüre viel Fingerspitzengefühl an den Tag legt und sein Pulver nicht zu früh verschießt. Denn selbst wenn Christ in den Chorszenen das große Pathos nicht verweigert, kommen bei ihm – ganz im Sinne der Regie – auch die intimeren Momente zu ihrem Recht. Das sorgt durch die enge Zusammenarbeit zwischen Bühne und Orchestergraben für einen frischen Blick auf den Verdi-Klassiker.
Weitere Vorstellungen
am 7., 16., 22., 28. Juli sowie am 4. August; www.muenchenticket.de.