Nach dem Sensationsfund an der Isar sind die Experten am Zug: Wie berichtet, wurden bei Sanierungsarbeiten der Münchner Stadtwerke am Großhesseloher Wehr Fragmente der einstigen Hauptsynagoge entdeckt. Das Bauwerk an der Herzog-Max-Straße wurde im Juni 1938 – also vor der Pogromnacht – auf persönlichen Befehl Hitlers abgerissen und durch einen Parkplatz ersetzt.
Nachdem nun Arbeiter die Steine entdeckt hatten, wurde, wie in solchen Fällen üblich, das Landesamt für Denkmalpflege informiert. Dessen Fachleute diskutieren derzeit mit Vertretern der Stadt, wie mit diesem besonderen Erbe umzugehen ist, das zugleich Zeugnis des Selbstbewusstseins des Münchner Judentums ist, aber zudem von dessen Vernichtung kündet.
Darauf weist auch Mirjam Zadoff hin, die Direktorin des NS-Dokuzentrums: „Dieser Fund ist spektakulär, nicht nur wegen der Fragmente selbst, sondern aufgrund dessen, wo und in welchem Zustand sie aufgetaucht sind.“ Die Elemente der Hauptsynagoge seien „Teil der Geschichte der Gewalt und Ausgrenzung“, erläutert die Historikerin. „Da werden tiefe Narben in der Stadt sichtbar, die Vergangenheit und Gegenwart miteinander verweben. Die müssen wir dokumentieren und erzählen.“ Offenbar wurden die Steine – den Abriss besorgte 1938 die Firma Leonhard Moll – in den Fünfzigern am Wehr verbaut.
„Dieser Fund ist von unschätzbarem Wert für die Stadtgeschichte“, sagt Katrin Habenschaden, Münchens Zweite Bürgermeisterin. „Der Abriss der Synagoge durch die Nazis vor 85 Jahren war einer der schwärzesten Tage Münchens. Es ist deshalb unsere historische Verpflichtung, die Funde zu sichern und der Jüdischen Gemeinde zurückzugeben. Die Stadtverwaltung wird das Landesamt für Denkmalpflege dabei bestmöglich unterstützen.“
Groß sind Überraschung und Freude vor allem jedoch bei Charlotte Knobloch: „Diese Steine sind ein Teil der jüdischen Geschichte Münchens.“ Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde sowie ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden, hatte als Kind die Synagoge besucht, die von 1884 bis 1887 nach Entwürfen des Architekten Albert Schmidt gebaut wurde (wir berichteten). „Ich hätte wirklich nicht damit gerechnet, dass Fragmente erhalten sind, geschweige denn, dass wir sie zu Gesicht bekommen.“
Beim Münchner Künstlerhaus, einst Nachbar der Synagoge, freut man sich ebenfalls über die Entdeckung: Birgit Gottschalk und Jennifer Ruhland, die Vorsitzenden der Künstlerhaus-Stiftung, nennen den Fund eine „echte Sensation“.