Völlig schwerelos

von Redaktion

Fred Hersch nimmt die Besucher der Unterfahrt für sich ein

VON REINHOLD UNGER

Es dürfte nicht viele Jazzpianisten geben, die einen renommierten Klassik-Kollegen zu ihren größten Fans zählen können. Igor Levit nennt Fred Hersch „mein Idol“, was kein Lippenbekenntnis ist, hat er doch wiederholt Hersch-Kompositionen in sein Bühnenrepertoire integriert und im Mai beim Klavier-Festival Ruhr erstmals an zwei Flügeln mit ihm duettiert. Warum der eigensinnige Klassikstar so für den Jazz-Individualisten schwärmt, war jetzt beim Konzert des Fred Hersch Trios in der Münchner Unterfahrt nachzuvollziehen.

Fred Hersch (Foto: Archiv) verfügt über einen klassisch geschulten, ungewöhnlich leichten Anschlag, der seinem Spiel etwas Fließendes, beinahe Schwebendes verleiht. Vom Temperament her ist er ein lyrischer Feingeist mit Hang zur konzentrierten melodischen Ausgestaltung des selbst geschaffenen oder geliehenen harmonischen Reichtums. Knapp zwei Drittel des Programms sind Eigenkompositionen, der Rest „Stücke, von denen ich wünschte, ich hätte sie geschrieben“ (Hersch) – als offizieller Schlusspunkt etwa Thelonious Monk, als zweite Zugabe Billy Joel.

Dass die subtile, nie auftrumpfende Autorität von Hersch so überzeugt, ja berührt, liegt auch an der geradezu symbiotischen Interaktion mit Bass und Schlagzeug. Jeder Beckenakzent von Joey Baron wirkt perfekt platziert, jede kleine Bassfigur von Drew Gress scheint zwingend. So wirkt diese weitgehend improvisierte Musik in ihrer detailreichen Ausgewogenheit, ihrer Nähe zur Perfektion selbst geradezu klassisch.

In einem Interview mit dem BR sagte Levit über seine erste Live-Begegnung mit Herschs Trio im legendären New Yorker Club Village Vanguard: „Wie die drei gemeinsam geatmet haben, war einfach irre.“ In der Unterfahrt war es nicht anders.

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