Was für eine Idylle: Unweit breiter Ausfallstraßen liegt in Obermenzing, am Rande der Stadt, das Schloss Blutenburg mitsamt einem poetisch anmutenden Teich voller lautstark quakender Frösche und einem pittoresken Innenhof. Hier residiert seit der Nachkriegszeit die Internationale Jugendbibliothek (IJB). Am 16. Juli ist Schluss mit der Ruhe. Da beginnt am Vormittag das White Ravens Festival für Internationale Kinder- und Jugendliteratur. IJB-Direktorin und Festival-Gründerin Christiane Raabe erzählt vom Programm.
Der Weiße Rabe ist ein seltenes Tier. Für Sie sind die „Weißen Raben“ des alle zwei Jahre stattfindenden Festivals ganz besondere Bücher für Kinder und Jugendliche aus aller Welt.
Die Idee für das White Ravens Festival geht aus einem Projekt hervor, das wir seit 60 Jahren machen. So lange gibt es den White Ravens Katalog. Dort empfehlen wir jedes Jahr aus den weltweiten Kinder- und Jugendbuch-Neuveröffentlichungen 200 außergewöhnliche Titel aus 50 Ländern.
Das White Ravens Festival geht heuer schon in die siebte Runde.
Als wir vor 13 Jahren ein Festival für Kinder- und Jugendliteratur gründen wollten, weil es das in Deutschland noch nicht gab, haben wir länger über einen Namen nachgedacht. Da die Weißen Raben so eng mit unserem Haus verknüpft waren, erschien es naheliegend, der Veranstaltung diesen Namen zu geben. Mittlerweile waren über 60 Autorinnen und Autoren zu Gast, und es ist immer wieder überraschend, welche unterschiedlichen Assoziationen sie mit dem Weißen Raben verbinden.
Ihr Team ist das ganze Jahr über auf der Suche nach Weißen Raben?
Wir haben weltweit ein Netzwerk an Spezialisten, die sich mit der Literatur in den einzelnen Ländern auskennen. Mit der japanischen, der niederländischen und der polnischen, mit der russischen, die momentan nicht so präsent ist, oder mit der lateinamerikanischen. Wir überlegen dann gemeinsam, wen wir einladen wollen. Wir wollen dabei den Blick auch auf andere Kontinente richten, auf Asien, auf die USA, Lateinamerika, Afrika.
Welches Motto haben Sie für 2023 gewählt?
Diesmal geht es um Sommer und Abenteuer und ums Reisen, vorwiegend durchs eigene Land. Die Bücher handeln in irgendeiner Form vom Reisen und von der Suche nach sich selbst. Früher nannte man das Odyssee, heute eben Road Novel.
Im Programm findet sich bei den deutschen Autoren Ingo Siegner, der durch den „Kleinen Drachen Kokosnuss“ enorm populär wurde. Sind die übrigen Künstler in ihren Heimatländern ähnlich bekannt?
Nein, wir möchten ja nicht nur Bestseller-Autoren ein Forum bieten. Wir sind aber auch kein reines Novitätenfestival wie die LitCologne. Wir wollen eine Mischung haben. Martin Muser, dessen „Kannawoniwasein“ demnächst ins Kino kommt, liest genauso aus seinem aktuellen Buch „Weil“ wie der hier noch nicht ganz so bekannte belgische Comic-Künstler Max de Radigues.
Wer ist das in diesem Jahr?
Die Japanerin Shaw Kuzki, die zur ersten Generation der Nachgeborenen des Atombombenabwurfs von 1945 gehört. In ihrer Heimat ist sie mit ihren Hiroshima-Romanen sehr bekannt. Bei uns kann man sie entdecken. Genauso wie die Peruanerin Micaela Chirif oder die mit ihrer Familie aus China emigrierte US-Amerikanerin Malinda Lo mit dem autobiografisch gefärbten Roman „Last Night at the Telegraph Club“.
Zentraler Veranstaltungsort ist Schloss Blutenburg. Aber Sie reisen auch quer durch Bayern…
Es reizt uns sehr, junge Menschen mit Literatur zusammen zu bringen. Trotzdem kann ein Festival wie unseres natürlich nur einen Anstoß geben. Wir setzen sehr stark auf Interaktion mit dem Publikum. Die klassischen Wasserglas-Lesungen gibt es daher nicht. Es geht uns darum, dass die Autoren und die Jugendlichen miteinander ins Gespräch kommen.
Das Gespräch führte Ulrike Frick.
Informationen
unter www.wrfestival.de.