„Man kann einen Menschen mit einer Wohnung erschlagen wie mit einer Axt“, wusste der alte Heinrich Zille (1858-1929). Heute sind die Wohnverhältnisse, wenn du nicht gerade Flüchtling bist, in unseren Breiten zwar besser, dafür versuchen große öffentliche Gebäude oft, dich zu erschlagen. In diesem Zusammenhang widmet sich das Architekturmuseum der TU München in seinen Räumen in der Pinakothek der Moderne (PDM) den momentan heiß diskutierten Institutionen für die Gesundheit – oder haben sie doch mehr die Krankheit im Blick? Die Ausstellung „Das Kranke(n)haus. Wie Architektur heilen hilft“ konzentriert sich ausdrücklich nicht aufs Kranksein, sondern aufs Gesundwerden.
Diese Geisteshaltung, die vielen Kranken(!)haus-Systemen entgegensteht, möchte Professorin Tanja C. Vollmer, Inhaberin des TU-Lehrstuhls für Architectural Design and Participation, direkt als Gebäude verwirklichen. Dabei geht es nicht nur um die Leidenden, mitbetroffen sind ihre Angehörigen und die Pflegenden; selbst die Menschen, die an solch einem Gebäude vorbeigehen, sollen nicht erschaudern. Die Architekturpsychologin Vollmer engagiert sich in der Verwirklichung heilender Bauten durch ihr Büro Kopvol architecture & psychology.
Mit Studenten, der Kuratorin Lisa Luksch sowie Museumsdirektor Andres Lepik hat sie eine Präsentation konzipiert, die beweisen soll, dass auf die hehre Zielsetzung nicht bloß schöne Worte folgen. Fotos, Filme, Modelle, Grundrisse zeigen: So menschenfreundlich wurde/wird gebaut, und zwar weltweit. Selbst im bettelarmen Ruanda gibt es ein dörflich-gemütliches Krankenhaus – das erste überhaupt im Land. Eine Auswahl an Projekten ist in der PDM zu sehen, vom IMS Studio und Friederike Daumiller in einen freundlichen kleinen Wellen-Wald drapiert. Grün ist die Farbe der Hoffnung und Natur, und so ist das von Grün eingekreiste Krankenbett am Anfang der Schau gleich nicht mehr so abschreckend.
Damit greift das Studio die Strategie der meisten Baumeisterinnen und Baumeister auf, die heilende Architektur realisieren: Bäume, Wiesen, Sträucher, Blumen, Wasser, Holz werden als Lebenselixier eingesetzt. Schon im ersten Ausstellungskapitel wird das klar. Die Idee, von einer Art Maschinenraum der Krankheit wegzukommen, wurde bei anderen Gesundheitseinrichtungen erprobt. Herzog & De Meuron schufen für das Rehab Basel einen Lebensort, der sogar Wachkomapatienten anregen soll. Was wir spontan wahrnehmen: Das wirkt wie ein lauschiges Bio-Hotel, bei dem Natur und Wohnen eine Einheit werden, ob nach außen oder nach innen zu Gartenhöfen und dem Badehaus.
Anhand solcher Befunde überlegten sich Vollmer und ihre Partnerin Gemma Koppen die „heilenden Sieben“ für jede Planung: Orientierung, Geruchs- und Geräuschkulisse, Privatheit, Kraftpunkte, Aus- und Weitsicht sowie das menschliche Maß. Ist ein Bau nach diesen Gesichtspunkten ausgerichtet, fühlen sich Menschen wohl, schreitet nachweislich die Heilung schneller voran, haben Ärztinnen und Pfleger weniger zu tun.
Im Hauptteil der Schau werden alle Heil-Punkte an Beispielen dargelegt. Die Gesundheits-„Kleinstadt“ (Unikrankenhaus) in Aarhus sehen wir im Hinblick auf „Orientierung“ skeptisch, obwohl man sich dort bemüht hat. Das Friendship Hospital Satkhira (Kashef Chowdhury/Urbana) in Bangladesch ist dagegen ein modernes Wasserschloss aus vielen Pavillons mit einem Zickzack-Bach, der so simpel wie geschickt den ambulanten und den stationären Bereich trennt. Liebevoll kind- und elterngerecht haben Koppen und Vollmer die Freiburger Kinder- und Jugendklinik gestaltet. Wenn man auch nur ahnt, wie viele Ängste es bei den Kleinen und Großen in diesen schlimmen Phasen gibt, wie viel Kraft sie brauchen, dann weiß man, dass solch humane Räume sein müssen. Ein bayerisches „Leuchtturmprojekt“ ist ebenfalls zu nennen. Das Krankenhaus Agatharied von Nickl & Partner Architekten (Landkreis Miesbach) lobt Lisa Luksch unter dem Gesichtspunkt „menschliches Maß“ ganz besonders, „weil sich die wahnsinnig detailreiche Ausformung aller Elemente auf mein Körpermaß“ beziehen lassen.
Bis 21. Januar 2024,
Di.-So. 10-18, Do. 10-20 Uhr; Telefon 089/23 80 53 60.