Zumutungen im besten Sinne

von Redaktion

Igor Levits großer Klavierabend bei den Münchner Opernfestspielen

VON GABRIELE LUSTER

Igor Levit traute sich was. Im Rahmen der Münchner Opernfestspiele setzte er sich im ausverkauften Nationaltheater ans Klavier und „zwang“ das Publikum 90 Minuten lang, ihm auf seiner strapaziösen (Kopf-)Reise zu folgen. Keine Pause. Und das bei einem Programm, in dem romantische Schwergewichte den Pianisten technisch wie mental herausforderten und auch dem Publikum viel „Arbeit“ zumuteten: Robert Schumann widmete seine C-Dur-Fantasie op. 17 – das „Passionirteste“, was er bis dato komponiert habe – dem Kollegen Franz Liszt, und dieser revanchierte sich mit seiner h-moll-Sonate.

Letztere krönte das Konzert und entließ die Zuhörerinnen und Zuhörer keineswegs entspannt in den lauen Sommerabend. Zu viel war passiert im dicht gewirkten, kontrastreichen Werk, dessen unterschiedliche Abschnitte bruchlos ineinanderfließen. Levit, von seiner fulminanten Technik getragen, konnte sich ganz Aufbau und Durchdringung verschreiben: Blitzblank aufgetürmte Akkorde kontrastierten mit zartesten Pianissimi im Diskant.

In versonnenen Momenten wagte er sich fast bis zum Stillstand, spürte dem Poetischen nach und antizipierte zuweilen fast impressionistische Klänge. Natürlich hob er das „Hammerschlag“-Motiv immer wieder hervor und setzte das Fugato in der Reprise fast motorisch in Szene. Zuweilen erschien selbst das Zuhören als „quälender“ Prozess. Levit lenkte ihn bis zuletzt souverän und zielgerichtet.

Bei Schumann verlebendigte er die zwei Seelen in des Komponisten Brust – Florestan und Eusebius – und agierte dynamisch-agogisch höchst individuell. Levit verlor sich in Schumanns Gedankenwelt, in der Verzweiflung und den wunderbar gesanglich-lyrischen Momenten, bevor er im Marsch sein Spiel mit den Motiven trieb und ihn in rasantem Tempo ins Fortissimo steigerte. Trotz all der Gedankenfülle ließ er auch Beethoven, den Schumann hier zitiert, hörbar aufblitzen. Vielleicht dem Ort geschuldet, wandte sich Levit auch der Oper zu: mit Stevensons stimmungsreicher „Peter Grimes Fantasy“ und dem geradezu skelettierten „Tristan“-Vorspiel. Viel Jubel um einen großen Abend.

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