Das Bayerische Staatsorchester feiert heuer seinen 500. Geburtstag nicht nur mit Münchner Konzerten und einer Europatournee, sondern es besinnt sich auch in einem reich bebilderten Buch auf seine lange Historie. Da erfährt man Spannendes aus den 1520er-Jahren und landet nach 250 Seiten im Heute – bei dem, was Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski am Staatsorchester schätzt und wohin er das Ensemble weiter führen will.
Als Herausgeber des Bandes „Bayerisches Staatsorchester – 500 Jahre gelebte Tradition“ legt Florian Amort Wert darauf, Vergangenes wissenschaftlich fundiert lebendig werden zu lassen und den Bogen zu spannen bis zu den noch lebenden ehemaligen Chefs Zubin Mehta, Kent Nagano und Kirill Petrenko, die in Interviews über ihre Arbeit und Wertschätzung sprechen. Über die meist repräsentativen Orte und Anlässe, an und zu denen die Bayerische Hofkapelle und später das Staatsorchester musizierten, wird allerhand vermittelt. Aber auch über die Entwicklung der Instrumente und die physischen wie mentalen Herausforderungen, die das Musizieren an die unterschiedlichen Instrumentalisten stellt.
Zunächst einmal geht es um das Geburtsjahr des Staatsorchesters: 1523 – willkürlich, aber doch sinnvoll gewählt. In diesem Jahr macht Herzog Wilhelm IV. den Komponisten, Sänger und Schreiber Ludwig Senfl zum Chef einer bereits bestehenden Hofkapelle. Der Aufschwung bleibt nicht aus. Er setzt sich nach 1556 mit Orlando di Lasso fort, dem berühmtesten Komponisten seiner Zeit. Höchst interessant ist auch ein Blick auf das 18. Jahrhundert, in dem durch die Machtübernahme des Kurpfälzers Karl Theodor viele Musiker seiner renommierten Mannheimer Hofkapelle nach München übersiedeln und dort Spitzenpositionen im Ensemble übernehmen. Christian Cannabich agiert als „Director“ und fördert den jungen Wolfgang Amadé Mozart. Dessen bereits vor der Hofkapellen-Fusion in München uraufgeführter „La finta giardiniera“ folgt 1778 seine für den Fasching komponierte Oper „Idomeneo“.
Bemerkenswert erscheint, dass die Hofkapelle schon zu Karl Theodors Zeiten nicht nur Opern und Kirchenmusik spielte, sondern auch mit Konzertserien (etwa im Kaisersaal der Residenz) präsent war. Sie spielte zur Ehre Gottes, aber eben auch zum Vergnügen der Hofgesellschaft und zur Repräsentation. So bei Reichstagen, pompösen Hochzeiten oder wenn auswärtige Herrscher zu Besuch kamen. Die „Verbürgerlichung“ des höfischen Ensembles setzt im 19. Jahrhundert ein, gefördert durch Liebhaberorchester, die ihre eigenen Abo-Konzerte veranstalten. Im November 1811 wird die Musikalische Akademie gegründet – bis heute aktiv vor allem in den Akademiekonzerten.
Erinnert wird in mehreren Beiträgen an die prägenden Dirigenten des Orchesters: angefangen bei Franz Lachner über Felix Mottl, Bruno Walter, Hans Knappertsbusch bis zu Clemens Krauss’ Wirken in der NS-Zeit. Danach über Joseph Keilberth bis zu Wolfgang Sawallisch und Carlos Kleiber, die im Gedächtnis vieler Münchner Musikfans bleibende Spuren hinterlassen haben. Von der engen Verbundenheit des Staatsorchesters mit der Musik Wagners und Strauss’ schwärmt Zubin Mehta und bekennt: „Es war zwischen mir und dem Staatsorchester Liebe auf den ersten Blick, und diese Liebe hält noch heute an.“
Florian Amort (Hrsg.):
„500 Jahre gelebte Tradition – Das Bayerische Staatsorchester“. Bärenreiter, 288 Seiten; 39,95 Euro.