Es geht auch ohne Brille

von Redaktion

NACHTKRITIK Premiere des neuen „Parsifal“ auf dem Grünen Hügel

Um es gleich zu verraten: Nein, man braucht die „Augmented-Reality-Brille“ nicht. Bayreuths neuer „Parsifal“ funktioniert auch ohne Computeranimationen, dann eben als gut abgehangene bis oratorische Inszenierung aus alten Zeiten mit einem Schuss Hippie-Charme. Gestern Abend war Premiere im Festspielhaus, wo ohnehin nur 330 Gäste in den Genuss der Brille kamen, die schwer auf die Nase drückt und zunehmend lästig wird. Was sie einem unter anderem vorgaukelt: eine Art Glühwürmchen-Ballett zu Beginn über abgerissene Gliedmaße und mehrere blutspritzende Schwäne, pochende Herzen und wogende Ahornblätter bis zu einer lockenden 3D-Frau. Am Ende des zweiten Akts stürzt sogar das Festspielhaus ein.

Regisseur Jay Scheib hat mit seinem Team eine sichtlich aufwendige Digital-Arbeit hinter sich, die aber außer Schauwerten kaum Zusatzerkenntnisse über Wagners „Bühnenweihfestspiel“ bringt. Das meiste ist Illustration, Intensivierung, aber kaum Kommentierung oder Extra-Ebene. Wer die Brille absetzt, erlebt ein ruhiges, musikalisch angemessenes Geschehen, das sogar die Orthodoxen im Publikum nicht verschrecken durfte. Das Problem ist nur: Die per Computer generierten Bilder inklusive Brillennutzung rücken einem das Live-Geschehen sehr fern. Da wirken manche Kino-Abende unmittelbarer. Dirigent Pablo Heras-Casado ist flott unterwegs, jedoch oft auch unstet. Detailarbeit hört man, rhythmisches Profil, aber bis zum zweiten Akt zu wenig Inhaltstiefe.

Wenigstens lässt die Regie das Gesangspersonal in Ruhe. Georg Zeppenfeld als prägnanter, etwas gebremster Gurnemanz, Elina Garanča als dramatisch kontrollierte Kundry und Andreas Schager mit wetterfestem Tenor in der Titelrolle danken es dem Pultmann. Eine ausführliche Kritik in unserer morgigen Ausgabe. MARKUS THIEL

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