Geordnete Gstanzl-Ekstase

von Redaktion

Gerhard Polt, Well-Brüder und Tote Hosen rocken den Oberschleißheimer Schlosspark

VON ULI KELLNER

Kurz bevor es losgehen soll, schiebt sich doch noch eine dunkelgraue Wolke über den Schlosspark Oberschleißheim. Wohl dem, der sich vorher informiert hat – oder am Bierstand gleich noch zwei Euro mehr investiert hat. Markus Hilgers, ein in München lebender Rheinländer, gehört zur zweiten Fraktion. „Zum Glück verkaufen die da hinten auch Ponchos“, sagt er, während er seinen Regenschutz zurechtzupft: „Ich hab’ gedacht, das Konzert ist drinnen.“ Wie zwei Wochen zuvor in Schliersee, als eine Tournee gestartet war, die vermeintliche Gegensätze zusammenführt (wir berichteten): fünf Tote Hosen aus Düsseldorf, drei Well-Brüder „aus’m Biermoos“ und Gerhard Polt, das bayerische Gesamtkunstwerk.

Ja, das Wetter hätte besser sein können am Samstag, aber es passte zu diesem Abend der Kontraste: Regen und Open Air, Schlosspark und Ekstase, Punkrock und Gstanzl. Vor der Bühne bot sich jedenfalls ein Bild, das Polt, dem leidenschaftlichen Beobachter, gefallen haben dürfte. Paare in Tracht neben Altrockern im verwaschenen Hosen-Shirt. Akkurat aufgereihte Stuhlreihen hinter gepflegten Tagetes-Rabatten und ein Ordner, der penibel darauf achtete, den Besucherstrom um einen fünf Meter langen Grünstreifen zu lenken. Parkordnung ist Parkordnung. Zum Glück für die Veranstalter sind nicht nur die Musiker auf der Bühne älter geworden, sondern auch die Besucher, die sich brav in Schlangen stellen, beim Einlass, am Bierstand, vor den Dixi-Klos – und sich trotzdem vom ewig jungen Campino (60) animieren lassen.

Schon beim ersten Song der Hosen, „Laune der Natur“, steht der Altrocker im Publikum. Die Trompete, die er immer wieder spielt, hat er da abgelegt. Einem überlässt er dafür umso lieber die Bühne: Gerhard Polt, die meiste Zeit auf einem Stühlchen in der Tiefe des Raumes sitzend. „Unser Mannschaftskapitän“, nennt ihn der fußballbegeisterte Campino. Polts Bühnenpräsenz ist auch in einem riesigen Park gigantisch. Ob er einen Tiroler Tourismuschef imitiert („Suchst du die letzte Ruh’, geh’ auf den Berg mit Stöckelschuh’“) oder einen greisen Weltreisenden, der Menschenfresser aufsucht („Maneater? We also eat Women!“) – mit seiner Stimme, kräftig wie eh und je, wird jede Parodie zum Brüller.

Wer vorher kein Polt-Fan war, ist hinterher einer. So wie die Frau von Hosen-Fan Markus, die beim Herfahren gefragt hat: „Wer steht denn da heute mit auf der Bühne?“ Eine ehrfürchtige Antwort gibt Campino am Ende des Konzerts, an dem auch noch Alphörner und Dudelsäcke zum Einsatz kommen. „Echte Künstler, die was können“, sagt der Frontmann in Richtung Well-Brüder. Und an Polt gerichtet: „Es ist ein Geschenk, mit dir zu reisen.“

Dafür macht Campino, was er am besten kann. Als er im Zugabe-Teil die Hymne „You’ll never walk alone“ anstimmt, steht das Publikum wie gewünscht, die meisten mit Ponchos statt Schals wedelnd. Tatsächlich hat es nur am Anfang ein bisschen getröpfelt. Am Schluss wurde hinten sogar verstohlen Pogo getanzt. Gstanzl-Ekstase, aber ganz brav, neben einem gelb-schwarzen Absperrband.

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